»Ihr seht sehr hübsch aus.«
Ich beobachte die Heilige, die vor Mikail und Annie kniet. Sie lächelt Mikail an, auf dessen Kopf der goldene Schmetterling sitzt, den sie beschworen hat. Vielleicht sind ihre Worte spielerisch gemeint, aber sie hinterlassen einen sichtbaren Effekt auf Mikail.
Mikail besitzt eine Immunität gegen Frauen, dass mir schon einige Male der Gedanke kam, dass er möglicherweise kein Interesse an Frauen im Allgemeinen hat. Aber die Art, wie er Ihre Heiligkeit gerade ansieht, sagt mir, dass das nicht wahr ist.
Mein Blick huscht zu Estella, die ebenfalls Mikail und die Heilige beobachtet. Ihre Lippen sind zu einer schmalen Linie zusammengepresst und ihre Fäuste geballt. Sie hat sich nie große Mühe gegeben, ihre Gefühle für Mikail zu verbergen und trotzdem hat Mikails sie stets mehr wie eine kleine Schwester als eine Verlobte behandelt.
Ich sehe wieder zu Mikail. Anders als Estella mache ich mir weniger Sorgen darum, dass er dabei ist, sich zu verlieben, und mehr darum, wen er sich dafür ausgesucht hat. Denn es gibt einiges an Ihrer Heiligkeit, das mich misstrauisch macht, weshalb es sehr ungelegen käme, wenn ich mich gerade jetzt nicht auf Mikails objektive Beurteilung verlassen könnte.
Ich weiß, dass ich Ihrer Heiligkeit unser aller Leben zu verdanken habe, aber schon das ist etwas, das nicht ins Bild passt. Ihre Heiligkeit ist eine Heilerin, die ihr Leben im Tempel verbracht hat, aber weder Bergtrolle noch Gargoyle scheinen sie auch nur einzuschüchtern. Mehr noch, sie hat nicht eine Sekunde gezögert, sie zu töten. Sie hat ein ganzes Waldstück dafür geplättet, mit der Begründung, dass sie zu ungeduldig war. Wer lässt aus Ungeduld eine so gefährliche Menge an Mana los und benimmt sich hinterher wie jemand, der versehentlich eine Vase umgestoßen hat?
Und diese Gedanken haben eine weitere unangenehme Frage aufgeworfen. Wenn Ihre Heiligkeit so unfassbar stark ist, wie konnte Mikail einen Attentäter abwehren, der sie töten wollte?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand so dumm wäre, ein Attentat auf die Heilige zu verüben, ohne zu wissen, wie stark sie ist. Aber genauso wenig kann ich mir vorstellen, dass Mikail den Attentäter überrascht hat. Zumal Ihre Heiligkeit die Wunde, die er davon getragen hat, mit Leichtigkeit heilen konnte. Es ist fast, als wäre es nie darum gegangen, Ihre Heiligkeit zu töten …
»Es ist wirklich hübsch, oder?«, sagt Hilena plötzlich und ich sehe überrascht zu ihr, als sie ihren Kopf auf meine Schulter legt. Sie meidet mich seit einer Weile, weil es ihr unangenehm ist, dass sie seit Tagen dasselbe Kleid trägt und wir nicht einmal Seife zum Waschen haben. Mich stört das nicht, immerhin sitzen wir im selben Boot, aber Hilena wollte davon nichts hören.
Sie muss sehr müde sein, denke ich, während ich ihrem Blick folge und zu den Schmetterlingen aufsehe, die Ihre Heiligkeit beschworen hat. »Ja«, murmle ich, denn eigenartigerweise ist es beruhigend den flatternden Tierchen zuzusehen, deren goldenes Licht die Nacht erhellt. Es ist wirklich ein wunderschöner Anblick und sogar Annie schaut mit großen Augen in den Himmel hinauf, anstatt sich weiter ängstlich an Mikail zu klammern. Annie, die in ihrem Eifer ihren Bruder zu unterstützen, die Barriere Ihrer Heiligkeit verlassen hat, um mehr von diesen Blättern zu sammeln, die Mikail gefunden hat.
Nach Mikails Aussage war es Ihre Heiligkeit, die als erste bei Annie gewesen ist und sie vor Schlimmerem bewahrt hat. Da Ihre Heiligkeit kurz vor dem Angriff der Gargoyle allein einen Spaziergang gemacht hat, könnte sie durch Zufall in der Nähe gewesen sein. Aber wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie zufällig zur rechten Zeit am rechten Ort war, um Annie zu retten? Selbst wenn sie die Gargoyle spüren konnte oder sogar schon vorher auf dem Weg zu Annie war, weil sie gemerkt hat, dass sie ihre Barriere verlassen hat, Ihre Heiligkeit kommt schon außer Atem, wenn sie nur gemächlich geht. Wie konnte sie schneller bei Annie sein als Mikail, ein gut ausgebildeter Aura-Träger, der so schnell er konnte, durch den Wald gesprintet ist?
»Ihr solltet Euch auch hinlegen, Euer Hoheit«, höre ich die sanfte Stimme der Heiligen, nachdem sie sich wieder auf ihren Platz neben Estella gesetzt hat.
Estella starrt weiter zu Boden, als hätte sie Ihre Heiligkeit nicht gehört, bevor sie sich demonstrativ mit dem Rücken zu ihr hinlegt.
Ich weiß, dass jeder in unserer Gruppe die Heilige auf seine Weise bewundert und so auch Estella, da Ihre Heiligkeit das verkörpert, was sie für unsere Gesellschaft anstrebt. Eine Frau, die ihr Mana so weit ausgebildet hat, dass sie mühelos mit einem Aura-Träger konkurrieren kann.
Ich sehe zu Ihrer Heiligkeit, die Estella etwas verdutzt ansieht, und ich frage mich, ob sie wirklich nicht versteht, dass keine Frau glücklich darüber wäre, dabei zuzusehen, wie ihr Verlobter von einer anderen Frau in Verlegenheit gebracht wird. Ich denke nicht, dass Ihre Heiligkeit absichtlich versucht, Mikail zu verführen, aber sie sollte wissen, welche Wirkung sie auf einen Mann hat, wenn sie ihn anlächelt und ihm Komplimente macht.
Nicht, dass das etwas ist, in das ich mich einmischen sollte, denke ich plötzlich schläfrig. Es mag daran liegen, dass das mittlerweile vertraute goldene Schimmern der Barriere Ihrer Heiligkeit uns wieder umgibt, aber ich beschließe alle meine Sorgen auf später zu verschieben.
»Hör auf, dich so anzustellen, Lorelai!« Eden sieht verärgert auf die Heilige hinab, die blass und keuchend neben einem Baum in die Knie gegangen ist und sich gegen den Stamm lehnt. Bis zu diesem Moment hat er sich kaum getraut in ihre Richtung zu sehen, aber jetzt lässt er sich wieder von ihrer kränklichen Erscheinung täuschen. Als ob das etwas daran ändern würde, dass sie ihn im Bruchteil einer Sekunde zerquetschen könnte, so wie sie es mit den Gargoyle gemacht hat.
»Euer Hoheit, bitte zügelt Euch.« Natürlich ist es Mikail, der Ihre Heiligkeit in Schutz nimmt. Wobei man fairerweise sagen muss, dass er jeden in Schutz nehmen würde, dem Vorwürfe gemacht werden, weil er krank ist. Und er hat recht. Wir können Ihrer Heiligkeit nicht vorwerfen, einen schwachen Körper zu haben. Das Problem ist mehr, dass sie sich nicht helfen lässt.
Ihr Hirsch ist nach dem Angriff der Gargoyle verschwunden und wie auch immer die Heilige es geschafft hat, ein wildes Tier dazu zu bringen, sie durch den Wald zu tragen, es klappt offenbar kein zweites Mal.
Die Lösung wäre, sich von einem von uns tragen zu lassen, aber nachdem sie das abgelehnt hat, ist es in Mikails Augen keine Lösung mehr. Aus diesem Grund haben wir die vergangene Nacht inmitten der von Ihrer Heiligkeit geplätteten Waldfläche verbracht, denn dort ist sie zusammengebrochen.
Vielleicht bin ich zu unsensibel, schließlich ist es verständlich, dass die Heilige sich nicht von einem Mann tragen lassen will. Aber von den Frauen ist keine stark genug und je länger wir hierbleiben, desto gefährlicher wird es. Nicht zuletzt, da Ihre Heiligkeit mit ihrem Mana-Ausbruch sämtliche Monster in der Gegend in die Flucht geschlagen haben dürfte. Für unseren Weg durch den Wald ist das erst mal etwas Gutes, aber da wir auch bisher weitgehend ungesehen vorangekommen sind, denke ich nicht, dass es einen großen Unterschied macht. Und es sind nicht die Monster, die mir die größten Sorgen bereiten.
Ihre Heiligkeit erhebt sich plötzlich und unterbricht damit Mikail, der auf Eden eingeredet hat. »Vielen Dank, my Lord, aber Seine Hoheit hat recht. Es liegt an meiner Ungeduld, dass wir befürchten müssen, entdeckt zu werden. Wir können es uns nicht leisten, Rücksicht auf meine Gesundheit zu nehmen.«
Ich runzle die Stirn. Sie klingt wieder wie die besonnene Heilige, die niemals aus Ungeduld ihr Mana auf die Welt loslassen würde.
Mikails Ausdruck wechselt sofort zu einem sorgenvollen, mit dem er sonst nur Annie ansieht, und er setzt an, Ihrer Heiligkeit zu widersprechen. Aber Eden plappert dazwischen, bevor er sagen kann, was ihm Sorgen macht. »Wie schön, dass du zur Vernunft gekommen bist, Lorelai. Komm her. In meinen Armen wirst du sicher sein und dich ausruhen können.«
Ich rümpfe bei seinem selbstgefälligen Grinsen die Nase. Er ist ständig in Skandale mit Frauen verwickelt und ich weiß, dass einige davon Gewalt involvierten, die ihn ins Gefängnis hätte bringen können, wäre er kein Prinz. Man muss kein Genie sein, um zu erahnen, was zwischen Ihrer Heiligkeit und Eden vorgefallen ist, wenn man ihr Verhalten ihm gegenüber beobachtet. Eden selbst jedoch scheint zu glauben, dass die Heilige seine Nähe über sich ergehen lässt, weil sie ihm verziehen hat. Oder es ist ihm einfach egal. Wie beschränkt muss man sein, um sich nicht darum zu kümmern, dass die Heilige einen verabscheut?
»Wie freundlich von Euch, Euer Hoheit, aber das wird nicht nötig sein.« Ihre Heiligkeit lächelt nicht. Tatsächlich wirkt es fast, als müsse sie sich bemühen, nicht angewidert das Gesicht zu verziehen. Der Gedanke erinnert mich daran, dass Ihre Heiligkeit sich oft ihren Schleier übers Gesicht zieht, wenn Eden in ihrer Nähe ist.
»Was soll das heißen? Kommt jetzt wieder ein Hirsch?« Eden sieht sich um, als wäre ihm entgangen, wie floskelhaft und unehrlich die Worte Ihre Heiligkeit klangen.
»Nein, Euer Hoheit«, antwortet sie und legt sich eine Hand auf die Brust. Dann schließt sie für einen Moment die Augen.
Die Blässe in ihrem Gesicht verschwindet, genau wie die offensichtliche Erschöpfung und mit einem Mal wirkt sie um einiges gesünder als zuvor.
Ihre Augen öffnen sich. »Ich sollte jetzt in der Lage sein, den Tag über Schritt zu halten«, sagt sie und ein angespanntes Lächeln umspielt ihre Lippen.
»Wie meint Ihr das?« Mikail ist ebenfalls nicht entgangen, dass etwas nicht stimmt, aber die Heilige ignoriert ihn.
»Eure Heiligkeit!«
Ich lehne mich zu Hilena. »Ihre Heiligkeit hat Buffs auf sich gewirkt, oder?«, frage ich, denn es scheint mir die einzige Erklärung dafür, dass ihre Schritte plötzlich so sicher und kräftig wirken.
Hilena hält sich eine Hand vor den Mund und mustert Ihre Heiligkeit mit besorgter Miene. »So scheint es. Aber in ihrem Zustand ist das sehr gefährlich.«
Ich nicke. Immerhin würde die Heilige wohl kaum in schlechter Verfassung sein, wenn es so leicht für sie wäre, die Symptome ihrer Krankheit auszusetzen.
»Wieso hast du damit bis jetzt gewartet? Dann hätten wir nicht die ganze Zeit deinetwegen trödeln müssen!«
Ich werfe Eden einen genervten Blick zu. Er hat nicht unrecht damit, dass wir vorankommen müssen, aber vielleicht wäre Ihre Heiligkeit ohne ihn kompromissbereiter gewesen.
Sie hat sich bereits verausgabt, um die Gargoyle zu töten, und nun tut sie es offenbar wieder. Von Ihrer Heiligkeit abgesehen, bringt uns das alle in Gefahr.
»Bitte schenkt seinen Worten keine Beachtung. Eure Gesundheit ist wichtiger, als unsere schnelle Rückkehr«, sagt Mikail, aber Ihre Heiligkeit würdigt seine Worte nur mit einem kurzen Lächeln und beschleunigt ihre Schritte, als wolle sie von ihm wegkommen. Möglicherweise ist ihr jetzt doch unangenehm, so viel Aufmerksamkeit von einem verlobten Mann zu bekommen.
Mikail jedoch scheint das kaum zu bemerken, denn er kommt auf Hilena und mich zu, als wir uns in Bewegung setzen, um Ihrer Heiligkeit und Eden zu folgen.
»Hilena, würdest du ein Auge auf Ihre Heiligkeit haben?«, fragt er und sein Blick huscht zur Heiligen.
Hilena nickt. »Natürlich«, sagt sie, als hätte sie das ohnehin vorgehabt.
Es ist schade, denke ich, als ich ihr hinterher sehe. Nach gestern hätte ich sie damit aufziehen können, dass sie wohl doch kein so großes Problem mit meiner Nähe hat.
Ich beobachte missmutig, wie Hilena, die mit der Heiligen und Annie ein paar Schritte vor mir geht, die Heilige mit funkelnden Augen ansieht. Von dem, was ich von ihrer Unterhaltung hören konnte, weiß ich, dass Ihre Heiligkeit Hilena etwas beibringt, und das erklärt ihren aufgeregten Blick. Wem würde es nicht gefallen, wenn sein Idol einem etwas beibringt?
Hilena hat mir oft genug erklärt, dass die Arbeit Ihrer Heiligkeit, die nicht selten an Wunder grenzt, aus der Sicht eines Heilers noch herausragender ist. Das liegt daran, dass Lichtmagier zu den Magiern gehören, die über besonders viel Wissen verfügen müssen, um ihre Magie einsetzen zu können.
Magie setzt grundsätzlich Wissen voraus, anders als Aura, die sich intuitiv lenken lässt. Das macht es leichter, Magie zu unterdrücken, indem man Wissen vorenthält, das ohnehin schon schwer zugänglich ist. Denn Magier kennen sich für gewöhnlich nur in ihrem eigenen Gebiet aus. ‚Für gewöhnlich‘ deshalb, weil Ihre Heiligkeit auch hier eine Ausnahme zu sein scheint, da sie Estella Instruktionen zu ihrer Feuermagie geben konnte. Vielleicht ist das nicht ungewöhnlich, für jemanden, der kaum seine Residenz verlässt und offenbar nichts anderes tut als zu lernen. Aber welchen Grund sollte die Heilige haben, Feuermagie zu studieren?
Und schon wieder bin ich dabei, mich über Ihre Heiligkeit zu wundern. Es ist an der Zeit, dass ich meine Aufmerksamkeit auf etwas anderes richte, etwas, dass im Moment wirklich eine Bedrohung ist. Wir können nicht den ganzen Weg zurück nach Libera laufen.
Im Optimalfall schaffen wir es, eine Nachricht nach Libera zu schicken und den Palast über unseren Aufenthaltsort zu informieren, sodass Lord Alba uns holen kann. Er ist einer der wenigen Magier, die Menschen teleportieren können, und das auch noch über große Distanz. Das Problem ist, wie wir die Nachricht übermitteln. Sotton und Ishitar sind nicht die besten Freunde, daher sollten wir vorsichtig damit sein, wem wir erzählen, dass wir hier sind. Das heißt, entweder gehen wir das Risiko ein und erzählen es einem Adligen, in der Hoffnung, dass er uns seinen Transmitter zur Verfügung stellt. Oder wir halten uns bedeckt und verschicken einen Brief, der eventuell Wochen brauchen wird, um in Libera anzukommen.
Eine andere Möglichkeit wären Portalsteine. Ich habe gehört, dass einige Städte in Sotton Portalsteine besitzen, um schnelles Reisen zu ermöglichen. In dieser Hinsicht sind Portalsteine sehr praktisch, da man eine dauerhafte Brücke zwischen den beiden Orten aufstellen kann, an denen die Steine platziert werden, und die von jedem benutzt werden kann. Das würde bedeuten, wir müssten nur bis in die nächste Stadt gehen, die ein Portal nach Tahal, Sottons Hauptstadt, besitzt und dorthin reisen. Soweit ich weiß, gibt es in Tahal ein Portal, das in die Nähe von Libera führt.
In Ishitar sind Portalsteine grundsätzlich verboten, weil sie sämtliche Schutzzauber ignorieren und damit ein gewaltiges Sicherheitsrisiko bieten. Aus diesem Grund wird der Stein, den Sotton als Zeichen der Freundschaft Ishitar geschenkt hat, auch nicht in Libera verwahrt, sondern in sicherem Abstand zur Stadt. Was nicht unbedingt dazu beigetragen hat, die Freundschaft der beiden Königreiche zu vertiefen. Trotzdem verkürzt das Portal ungemein das Reisen zwischen Sotton und Ishitar, wenn es derzeit auch selten benutzt wird.
Außerdem wäre da noch ein anderes Problem. »Wie gut ist dein Sottisch?«, frage ich Dalton, der neben mir geht.
Dalton, der den Rücken Ihrer Heiligkeit angestarrt hat, blinzelt überrascht und sieht mich an. »Wieso fragst du das plötzlich?«
Ich runzle die Stirn. »Weil wir in Sotton sind.«
Dalton zuckt mit den Schultern. »Ich bin sicher, Lord Mikail beherrscht es.«
»Ja, um ihn mache ich mir auch keine Sorgen.« Ich werfe Mikail einen Blick zu, der mit Estella an der Spitze unserer Gruppe geht. Auch Estella beherrscht Sottisch fließend soweit ich weiß. Sie ist Teil der königlichen Familie und ihr Bruder ist mit einer sottischen Prinzessin verlobt. Und sie ist fleißig und pflichtbewusst, anders als einige andere Mitglieder der königlichen Familie, denke ich mit einem Blick über die Schulter zu Eden.
»Aber wir können uns nicht nur auf Mikail verlassen.« Er tut schon jetzt am meisten und wenn wir in eine Stadt kommen, ohne die Sprache zu sprechen, macht uns das praktisch nutzlos.
»Wie gut ist dein Sottisch? Du hast es doch auch gelernt, oder?«, fragt Dalton, als wolle er mich daran erinnern, was für ein nachlässiger Schüler ich bin.
»Theoretisch«, antworte ich ausweichend. Ich denke, ich könnte mich im Notfall verständigen, aber vielleicht sollte ich Mikail um einen Auffrischungskurs bitten.
»Ihre Heiligkeit spricht es bestimmt auch«, sagt Dalton und richtet seine Augen wieder bewundernd auf den Rücken Ihrer Heiligkeit.
»Ja, wahrscheinlich«, stimme ich zu, schließlich bekleidet sie den höchsten Rang in der Kirche und auch wenn Sotton nicht denselben Glauben teilt, sollte sie Sottisch aus diplomatischen Gründen beherrschen.
Aber sie ist, noch mehr als Mikail, jemand auf den ich mich nicht zu sehr verlassen möchte.
»Sie ist noch bemerkenswerte als ich dachte«, murmelt Dalton, als wolle er mir beweisen, wie sinnlos es wäre, ihm von meinen Zweifeln gegenüber Ihrer Heiligkeit zu erzählen. »Selbst wenn sie eine Monsterflucht ausgelöst hat, hat sie uns alle beschützt«, fährt er fort. »Vor den Gargoyle, aber auch davor. Und wenn sie wirklich alle Monster vertrieben hat, dann sind wir jetzt noch sicherer vor ihnen als vorher.«
»Wir sind auch so schon gut vorangekommen. Offensichtlich gibt es in diesem Wald nicht so viele Monster, wie wir gedacht haben.«
»Oder Ihre Heiligkeit ist einfach gut darin, uns vor ihnen zu verbergen.«
»Wenn es so wäre, hätten uns die Gargoyle nicht gefunden, oder?«
Dalton sieht mich verärgert an. »Ich dachte, du bist nicht einer Meinung mit deinem Vater.«
Ich erwidere seinen Blick empört. »Bin ich auch nicht, aber ich bin auch nicht völlig vernarrt in Ihre Heiligkeit so wie du!«
Dalton macht ein trotziges Gesicht, aber er läuft rot an. »Ich bewundere sie nur, und das zurecht! Wir verdanken es nicht Glück, dass wir noch am Leben sind.«
»Zum Teil schon. Ihre Heiligkeit verbirgt nur unsere Präsenz, das macht uns nicht unsichtbar!«
»Wenn hier so wenig Monster sind, wie du sagst, wieso machst du dir dann Sorgen um eine Monsterflucht?!«
»Weil es naheliegend ist, dass es in einem Wald ohne Menschen von Monstern wimmelt.«
»Dann sollte es auch naheliegend sein, dass wir es Ihrer Heiligkeit zu verdanken haben, dass wir unbeschadet vorankommen.«
Ich habe schon den Mund zu einer Erwiderung geöffnet, aber er hat recht. Meine Schlussfolgerung, dass es weniger Monster in diesem Wald gibt als gedacht, beruht darauf, dass wir außer den Bergtrollen und den Gargoyle nicht ein Monster gesehen haben. Aber was, wenn das einen anderen Grund hat? Was, wenn Ihre Heiligkeit einen Zauber gewirkt hat, der die Monster fernhält? Aber wieso waren die Gargoyle nicht davon betroffen?
Und gerade als ich das Gefühl habe, etwas zu übersehen, kommt mir ein Gedanke. Was, wenn es nicht Ihre Heiligkeit ist, die für die wenigen Monster verantwortlich ist? Das Bild von der Frau, die vor einem Berg Monsterleichen steht, blitzt vor meinem inneren Auge auf. Ich war mir sicher, dass es kein Traum war, aber ich konnte mir nicht erklären, wie ich unversehrt an meinem Schlafplatz aufwachen konnte. Und Ihre Heiligkeit hat gesagt, ich wäre nicht einmal aufgewacht.
Ich richte meinen Blick auf die Heilige, die mittlerweile allein vor mir geht. Wenn es tatsächlich eine Frau in diesem Wald gibt, die die Monster tötet, würde das erklären, weshalb wir kaum welchen über den Weg gelaufen sind. Die Bergtrolle waren Pech, weil wir mitten in ihre Gruppe hineinteleportiert wurden und Gargoyle können fliegen. Das heißt, sie sind schnell und würden kaum mit jemandem aneinandergeraten, der nur am Boden kämpft.
Aber wenn es kein Traum war, bedeutet das, dass Ihre Heiligkeit gelogen hat. Mehr als das, sie hat mich geheilt, um zu vertuschen, dass ich diese Frau getroffen habe. Die Frage ist, warum?
»Jake!«
Ich blinzle und nehme den Blick von der Heiligen, als Hilena aufgeregt meinen Namen sagt und recht schwungvoll meinen Arm packt. »Was ist los?«, frage ich verwirrt, während ich mich von ihr zum Stehenbleiben bringen lasse.
Aber anstatt mir eine Antwort zu geben, nimmt Hilena meine Hand, hält sie mit ihren und richtet ihren Blick konzentriert auf mich.
Ich runzel die Stirn, tue aber nichts, da ich weiß, dass sie dabei ist, einen Zauber zu wirken. Einen Buff wahrscheinlich, auch wenn ich nicht sagen kann, dass ich einen brauche.
Allerdings spüre ich nichts. Das heißt, ich spüre, dass Hilena zaubert, aber ich spüre keine Veränderung an mir.
»Warte, eben hat es besser funktioniert«, sagt sie, bevor ich fragen kann, was das werden soll.
Also warte ich ab und beobachte, wie Hilena konzentriert die Augen zusammenkneift. Außerdem rümpft sie die Nase und schürzt die Lippen, was mir verrät, dass sie vollkommen auf ihren Zauber fokussiert ist, denn Hilena würde nie bewusst so ein Gesicht machen. Was ich bedaure, denn es ist wirklich niedlich und ich muss mich zusammenreißen, um nicht zu kichern.
Dann hellt sich ihre Miene auf und ein stolzes Grinsen erscheint auf ihren Lippen. »Und? Wie fühlst du dich?«, fragt sie mit solcher Erwartung, dass ich mich schuldig fühle, weil ich immer noch keine Ahnung habe, was sie getan hat.
»Du weißt, dass ich mich immer um Längen besser fühle, wenn du mich so anlächelst«, sage ich und zwinkere ihr zu.
»Jake!«, protestiert sie und versucht, mich tadelnd anzusehen, aber das Lächeln auf ihren Lippen verrät, dass sie trotz allem geschmeichelt ist. »Wie kannst du den Unterschied zwischen schmutzig und sauber nicht merken? Und du nennst dich einen Adligen?«
Ich sehe sie verwirrt an. »Schmutzig und sauber?« Noch während ich das frage, bemerke ich, dass der Ärmel meines Jacketts, der nach mehreren Tagen und Nächten im Wald fleckig geworden ist, plötzlich wieder sauber ist. Ich sehe an mir hinunter. Auch der Rest meiner Kleidung sieht aus, als wären sie gewaschen worden, aber es ist nicht nur meine Kleidung.
Mit meiner freien Hand befühle ich das Revers meines Jacketts, meinen Kragen und fahre mir schließlich durchs Haar, das sich nicht mehr fettig anfühlt. »Hast du mich gewaschen?«, frage ich etwas dümmlich.
Hilena kichert. »Ihre Heiligkeit hat mir beigebracht, wie man Läuterungszauber wirkt. Und da ein Läuterungszauber alles entfernt, was der Zaubernde entfernen will, kann man sich damit ganz einfach säubern«, erklärt sie mit gewichtiger Miene. »Mir fehlt es noch an Übung, aber es ist doch um einiges angenehmer, oder nicht?« Sie grinst mich an und hat wieder diesen erwartungsvollen Blick in den Augen.
»Ja. Es ist viel angenehmer«, stimme ich zu, denn auch wenn ich es als unumgänglich in Kauf genommen habe, war ich keineswegs glücklich darüber, mich nicht richtig waschen zu können.
Hilena nickt eifrig. »Ich wünschte, es gäbe auch einen Zauber für eine Rasur. Mit einem Läuterungszauber würde es zwar gehen, aber dann hättest du gar keine Haare mehr.« Sie wirft meiner unteren Gesichtshälfte einen skeptischen Blick zu.
»Willst du damit sagen, ein Bart steht mir nicht?«, frage ich und berühre meine stoppelige Wange. Zugegeben, es ist ungewohnt unrasiert vor Hilena zu stehen, aber es ist momentan meine geringste Sorge.
Hilena schürzt die Lippen. »Er lässt dich etwas … wild aussehen«, sagt sie dann und ich beiße mir auf die Lippe, um nicht zu lachen. Stattdessen nicke ich mit gewichtiger Miene. »Das ist das Wesen des Mannes. In der Wildnis verliert er sein zivilisiertes Verhalten und verwildert.« Ich sehe sie bedeutungsvoll an. »Du musst von jetzt an gut aufpassen, Hilena.«
Hilena, die mich erst irritiert und dann verärgert ansieht, schlägt meinen Arm. »Mach dich nicht über mich lustig!«
»Du warst es, die mich ‚wild‘ genannt hat«, sage ich abwehrend.
»Ja, aber du kannst ja nichts dafür und ich dachte, es ist dir vielleicht unangenehm.« Sie dreht mit einem beleidigten Ausdruck den Kopf weg. »Außerdem weißt du, dass du trotzdem noch gut aussiehst, also tu nicht so, als wärst du beleidigt.« Sie errötet als sie mir ein Kompliment macht, auch wenn sie versucht, sich sonst nichts anmerken zu lassen. »Wir sollten weiter gehen, sonst verlieren wir -«
Ich halte ihren Arm fest und ziehe sie zu mir. »Als du gesagt hast, ich sehe wild aus, war das also als Kompliment gemeint?«, frage ich fröhlich, während ich die Arme um sie schlinge.
»Jake!«, empört sie sich und geht ins Hohlkreuz, um sich vor mir wegzulehnen. Und das Rot auf ihren Wangen wird dunkler. »Du weißt genau, was ich gemeint habe! Und jetzt lass mich los, sonst verlieren wir die anderen.«
»Gut, die würden im Moment nur stören.« Ich lehne mich weiter zu ihr, aber Hilena presst ihre Hände auf meinen Mund. »Was, wenn Ihre Heiligkeit uns sieht?!«, fragt sie mit eindringlicher und leiser Stimme, obwohl die Heilige zu weit weg ist, um uns zu hören. Und um uns zu sehen, da sie von uns wegläuft und einige Bäume zwischen uns stehen.
Ich bin nicht sonderlich fromm, was nicht nur an meinem Vater liegt, und es hat mich nie gekümmert, dass die Kirche lehrt, dass man nur Intimität mit jemandem teilt, mit dem man zumindest verlobt ist. Ich fand es immer paradox, dass die Kirche, deren Mitglieder überwiegend keusch leben, mir vorschreiben wollen, mit wem ich wann intim sein kann. Aber Hilena will die Heilige nicht enttäuschen, und das kann ich verstehen.
Trotzdem, sie hat ja wohl keine Augen am Hinterkopf! Ich würde es laut sagen, aber Hilenas Hände liegen immer noch auf meinem Mund.
»Außerdem …«, beginnt sie mit einem nachdenklichen Blick auf ihre Hände, während sie mein Gesicht befühlt. »Es pikst.«
Ich rolle mit den Augen. Aber ich kann ihr auch nicht böse sein, weil sie mich so niedlich interessiert ansieht, als wäre es das erste Mal, dass sie den Bart eines Mannes berührt.
Ich seufze und lasse sie los, woraufhin Hilena ihre Hände von meinem Mund nimmt. Dann halte ich ihr meine Hand hin. »Nicht, dass wir noch die anderen verlieren«, sage ich mit einem milden Lächeln.
Sie nickt eifrig und nimmt meine Hand. »Ich will Stella läutern. Sie wird es bestimmt mehr zu schätzen wissen als du«, sagt sie, während wir uns in Bewegung setzen.
Ich sehe sie empört an. »Ich weiß es zu schätzen!«
Sie erwidert meinen Blick skeptisch, aber mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen. Und egal, was sie sagt, ich war der Erste, den sie geläutert hat.
Wir suchen uns einen Rastplatz, einige Stunden bevor es zu dämmern beginnt, auf Mikails Geheiß hin, damit sich niemand überanstrengt. Womit er in erster Linie die Heilige meint, die jedoch noch einen fitten Eindruck auf mich macht.
Da wir alle Pfirsiche gegessen haben, steht wohl wieder Fisch auf dem Speiseplan, aber gerade als ich mich mit Mikail auf Richtung Fluss machen will, beginnt die Heilige zu husten. Das an sich wäre nicht ungewöhnlich, aber es ist nicht das leise Hüsteln, das ihre schweren Atemzüge begleitet.
Ich sehe zu dem Baum, vor dem sie mit Eden sitzt und denke schon, dass sie auf sich bemerkbar macht, weil Eden sie schon wieder belästigt. Und dann sehe ich die roten Flecken auf ihrem Schleier.
»Lorelai!«, ruft Eden, während die Heilige röchelnd und würgend zur Seite kippt.
Ich sehe aus dem Augenwinkel wie Mikail herumwirbelt und zu ihr rennt und auch Hilena springt von ihrem Platz am Feuer auf, um an die Seite der Heiligen zu eilen. Aber es hat keinen Zweck.
Edens Hände, die er nach der Heiligen ausgestreckt hat, stoßen gegen eine unsichtbare Wand. Die Heilige hat einen Schild um sich beschworen.
»Eure Heiligkeit!« Hilena lässt sich neben der Heiligen fallen, aber auch sie kann nichts anderes tun, als ihre Hände auf den Schild zu legen.
»Was ist los?«, fragt Mikail, der neben Hilena stehen bleibt.
Eden springt auf. »Sie hat plötzlich einen Anfall bekommen! Lorelai ist krank! Tu etwas, Mikail!« Er deutet anklagend auf Mikail als wäre er ein Diener oder ein Doktor.
Mikail macht ein irritiertes Gesicht, ignoriert Eden jedoch und sieht zu Hilena. »Hilena, was ist los?«
»Ich denke, es sind die Buffs«, sagt Hilena mit bebender Stimme. »Sie muss sie gelöst haben und jetzt spürt sie den Rückschlag. Es ist eine Überlastung.«
»Was soll das heißen?!«, faucht Eden und sieht dabei nun Hilena an, was mich dazu veranlasst, ebenfalls zu ihnen hinüberzugehen.
»Buffs stärken den Körper, aber wenn der Körper zu schwach ist, rächt sich das, weil die Belastung durch Mana zu groß für ihn ist. Ihre Heiligkeit hätte sich nie buffen dürfen!«
Ich sehe auf die Heilige hinab. Ihr Schleier ist etwas verrutscht, sodass ihr Mund sichtbar ist, die Lippen rot gefärbt durch das Blut, das ihr aus dem Mundwinkel rinnt. Würden ihre Schultern unter ihren schweren und unregelmäßigen Atemzügen nicht beben, könnte man sie für tot halten.
»So ein Unsinn! Willst du behaupten, Lorelai war so blöd und hat sich das selbst angetan?!«, schimpft Eden und ich hätte ihm am liebsten eine runtergehauen. Ich habe es über den Tag vergessen, aber ich erinnere mich, wie besorgt Hilena war, weil sie wusste, dass es ein Risiko sein würde, wenn Ihre Heiligkeit sich bufft. Und die Heilige wusste das auch, sonst hätte sie sich gleich am ersten Tag gebufft.
Hilena sieht zu Eden auf, ein verzweifelter Ausdruck auf dem Gesicht. »Vielleicht ist es etwas anderes, aber ich kann sie nicht untersuchen, solange dieser Schild hier ist.«
»Mikail, zerstöre diesen Schild!« Eden zeigt auf die Heilige und sieht nicht einmal in Mikails Richtung, während er ihm hirnrissige Befehle gibt.
»Das könnte ich nicht, selbst wenn ich es wollte«, sagt Mikail mit angespannter Stimme. Er geht neben Hilena in die Knie. »Eure Heiligkeit, könnt Ihr mich hören?«
»Wie sollte sie?! Sie stirbt!«, schreit Eden und sieht Mikail verärgert an, als würde er ihm die Schuld dafür geben.
»Aber sie ist noch in der Verfassung, einen Schild um sich zu beschwören«, erwidert Mikail ruhig, den Blick auf die Heilige gerichtet und ich bin beeindruckt, dass ihm das in dieser Situation aufgefallen ist.
»Vielleicht ist es ein verzauberter Gegenstand, der aktiv wird, wenn sie in Gefahr ist«, werfe ich ein, denn sie sieht nicht so aus, als wäre sie noch bei Bewusstsein. Auch wenn sich ihr Atem jetzt zu stabilisieren scheint.
Aber Mikail schüttelt den Kopf. »Dann hätte er auch die Säure der Gargoyle abwehren müssen.«
Er hat recht, denke ich und richte meinen Blick wieder auf die Heilige. Aber wie ist sie in der Lage, sich in ihrem Zustand auf einen Zauber zu konzentrieren? Es ist fast, als wäre es eine instinktive Reaktion auf Gefahr.
»Eure Heiligkeit?«
Aber die Heilige rührt sich nicht.
»Wird sie sterben?«, fragt Annie mit dünner Stimme. Sie steht hinter mir bei Dalton und Estella und macht ein Gesicht, als wäre sie kurz davor in Tränen auszubrechen.
»Red keinen Unsinn!«, faucht Eden sie an, woraufhin sie erschrocken zurückzuckt.
»Euer Hoheit!« Mikail richtet sich auf und seine Stimme ist lauter als zuvor, während er Eden warnend anfunkelt. Dann geht er zu Annie, um sie beruhigend in den Arm zu nehmen.
»Ich denke, wir können nur abwarten. Wenn es eine Überbelastung -« Hilena bricht ab, als die Heilige plötzlich wieder zu röcheln beginnt. Ihre Schultern beben, während sie nach Luft ringt, als sie mit einem Mal nicht mehr atmen zu können scheint.
»Was passiert mit ihr?«, ruft Eden panisch.
»S-Sie kann nicht atmen«, stammelt Hilena, die in Panik noch einmal versucht, die Heilige zu berühren, nur um erneut gegen ihren Schild zu stoßen. Währenddessen zuckt Ihre Heiligkeit als hätte sie einen Anfall.
Ich verschränke meine Hände fest miteinander. Was, wenn sie wirklich stirbt? Noch vor ein paar Minuten wirkte sie trotz ihrer Krankheit so überwältigend stark auf mich, sodass ich keine Sekunde mit Sorge an sie verschwendet habe. Stattdessen war ich damit beschäftigt, sie zu verdächtigen und ihr zu misstrauen wie ein wahrer Sohn von Tate Alistair.
»Wie kannst du nur dasitzen und nichts tun? Und du nennst dich eine Heilerin?! Tu etwas, Herrgott nochmal!« Eden schreit Hilena an und ich nehme meinen Blick von der Heiligen, um ihn verärgert anzusehen. Von uns allen trägt er am meisten Schuld daran und trotzdem besitzt er die Frechheit, Hilena anzuschreien, die als einzige die Chance hätte, der Heiligen zu helfen!
»Eine Überlastung durch Buffs kann nicht geheilt werden! Jegliche Benutzung von Mana könnte -«
»Lorelai stirbt! Tu gefälligst etwas, um sie zu retten, dummes Weib!«, brüllt Eden und er sieht Hilena auf eine Weise an, als wolle er sie wissen lassen, was für ein riesiger, frauenverachtender Dreckskerl er ist.
Und noch bevor ich weiß, was ich tue, stehe ich zwischen Hilena und ihm und meine Hand klatscht gegen seine Wange. Der einzige Gedanke in meinem Kopf ist, dass er Hilena keine Sekunde länger mit diesen Augen ansehen darf.
Edens Kopf wird zur Seite gerissen und er taumelt zwei Schritte zurück. Und er hält endlich den Mund. Mit einer Hand an seiner Wange starrt er mich mit bebendem Blick an, als könne er nicht glauben, was gerade passiert ist. »Du wagst es -!«, setzt er an, als könnte er mich in diesem Moment einschüchtern.
»Euer Hoheit scheinen vergessen zu haben, wer es war, der Ihre Heiligkeit so weit getrieben hat«, sage ich mit klarer Stimme und gehe unterstreichend einen Schritt auf ihn zu. »Hättet Ihr Euch nicht wie ein perverser Dreckskerl aufgeführt, hätte sich Ihre Heiligkeit nicht gezwungen gesehen, dieses Risiko einzugehen!«
»Hast du eine Ahnung, was du gerade getan hast, Jake Alistair?!«, knurrt Eden und senkt seine Hand, unter der seine deutlich gerötete Wange zum Vorschein kommt. Seine Augen sind aufgerissen und starr auf mich gerichtet, als wäre er kurz davor die Beherrschung zu verlieren. Und tatsächlich setzt er seine Aura frei. »Du solltest mich auf Knien um Entschuldigung anflehen - «
»Oder was?!«, unterbreche ich ihn ein zweites Mal, während ich seine Aura mit meiner zerquetsche.
Eden blinzelt und taumelt etwas unter dem plötzlichen Druck meiner Aura. Er sollte wissen, dass seine Aura meiner nicht standhalten kann, aber er dachte wahrscheinlich, ich würde mich zurückhalten. Normalerweise hätte ich das auch getan, denn es gibt nichts Dümmeres, als einen Königlichen anzugreifen, selbst wenn es sich um Eden handelt, bei dem das praktisch immer gerechtfertigt ist. Aber hier gibt es keine Palastwachen, die eingreifen, oder Bedienstete, die dem König Bescheid geben. Vielleicht sollte ich die Gelegenheit nutzen und ihn noch einmal ohrfeigen.
»Das ist jetzt nicht der Moment dafür!«, sagt Mikail mit eindringlicher Stimme und erinnert mich daran, dass es momentan Wichtigeres gibt, als Eden zu verprügeln.
Ich ziehe meine Aura zurück.
Mikail geht derweil wieder zur Heiligen und kniet neben Hilena nieder. »Hilena. Was können wir tun?«
Hilena schüttelt hilflos den Kopf. »Ich habe es doch schon gesagt. Wir können nichts tun. Normalerweise verursacht eine Überbelastung nur vorübergehende Schmerzen, denn der Körper erholt sich von allein. Aber bei lebenswichtigen Organen ist das anders. Ihre Heiligkeit hat offenbar ihre Lungen gebufft und jetzt versagen sie. Ihre Selbstregeneration hält sie am Leben, aber auf diese Weise wird sie sich nicht von der Überbelastung erholen können.« Hilenas Stimme zittert und ich trete hinter sie und lege ihr eine Hand auf die Schulter, woraufhin sie sofort nach meiner Hand greift, als hätte sie darauf gewartet.
Ich sehe zur Heiligen, die noch immer röchelnd am Boden liegt. Sie wirkt wieder ruhiger, sodass man Hoffnung haben könnte, dass es ihr besser geht. Aber dann beginnen ihre Schultern wieder zu zucken und sie ringt nach Luft. Es ist genau, wie Hilena gesagt hat. Aber bedeutet das, dass Ihre Heiligkeit einen langsamen und qualvollen Tod sterben wird, während wir nur hier stehen und zusehen können?
»Bitte … Ihr dürft nicht sterben …« Annie sinkt neben ihrem Bruder auf die Knie. Sie ist normalerweise niemand, der sich anderen schnell öffnet, aber die Heilige ist eine Ausnahme. Vielleicht ist es der Situation geschuldet, aber die Heilige war Annie gegenüber auch ausgesprochen fürsorglich, so als würde sie sie ebenfalls gern haben.
Und dann flattert plötzlich ein goldener Schmetterling auf Annie zu. Es ist die Sorte, die die Heilige in der vergangene Nacht beschworen hat, und er fliegt auf Annie zu, als wolle er sie beruhigen so wie zuvor.
Annie starrt den Schmetterling an wie hypnotisiert und auch ich bin verblüfft. Der Schild ist eine Sache, da es nicht allzu viel Konzentration erfordert, um ihn aufrechtzuerhalten. Aber dieser Schmetterling bewegt sich und auch wenn ich nicht viel von Lichtmagie verstehe, sollte es einiges an Konzentration fordern. Zumal sie den Schild nebenbei weiter aufrecht hält.
»Eure Heiligkeit!«, sagt Mikail, der sich als erster wieder fängt. »Bitte, schont Euch.« Er lehnt sich etwas vor, vielleicht weil er einen besseren Blick auf Ihre Heiligkeit erhaschen will, aber dann zuckt er zurück, als sich ein ganzer Schwarm Schmetterlinge auf ihn stürzt. »Oh?«
»Das heißt wohl, sie kommt durch?«, mutmaße ich, denn die Schmetterlinge scheinen mir eine Beschwichtigung der Heiligen für uns zu sein. Eine recht aggressive sogar, denke ich mit Blick auf Mikail und den goldenen Schwarm um ihn.
»Hast du nicht zugehört?!« Hilena schüttelt den Kopf und ihr Griff um meine Hand wird fester, während sie mit beinah flehendem Blick zu mir aufsieht. »Ihre Lungen können sich nicht von der Überlastung erholen, solange sie sich heilt. Aber wenn sie sich nicht heilt, versagen ihre Lungen und sie …« Sie bricht mit einem Schniefen ab.
Ich öffne den Mund, obwohl es nichts gibt, das ich sagen könnte. Aber das muss ich auch nicht, denn in diesem Moment erscheint ein weiterer Schmetterling und fliegt auf Hilena zu.
Hilena schluckt und sieht den Schmetterling an, der ein paar Zentimeter vor ihrem Gesicht in der Luft stehen bleibt. Dort schlägt er einige Male mit den Flügeln, bevor er verpufft und nur ein feiner Goldstaub übrigbleibt, der in ihren Schoß fällt und verschwindet.
Auch die Schmetterlinge bei Annie und Mikail verschwinden, aber ich glaube nicht, dass das ein schlechtes Zeichen ist.
Eine Stunde vergeht. Hilena sitzt die ganze Zeit über an der Seite der Heiligen und wacht über sie, aber wie wir alle kann sie nur abwarten. Aber ich wünschte, irgendjemand würde etwas sagen, damit der röchelnde Atem Ihrer Heiligkeit übertönt wird. Gleichzeitig fällt mir selbst kein Thema ein, das es rechtfertigen würde, das Leid der Heiligen auszublenden.
Eden hat dieses Problem einfach gelöst, in dem er Richtung Fluss verschwunden ist, aber er ist der einzige, der gegangen ist. Annie sitzt bei Estella und weint leise an ihrer Schulter, während Mikail unruhig hinter Hilena auf und ab geht, ohne die Heilige dabei aus den Augen zu lassen. Dalton, der neben mir am Feuer sitzt, zappelt auch unentwegt herum, und jedes Mal, wenn er in die Richtung der Heiligen sieht, stockt ihm der Atem.
Dieses Warten ist eine Qual, sodass ich mir schon wünsche, dass es aufhört, egal auf welche Weise. Ihre Heiligkeit erstickt seit einer Stunde und an diesem Punkt sind ihre Selbstheilungskräfte mehr Fluch als Segen.
»Eure Heiligkeit!« Hilenas plötzliche Stimme lässt mich zusammenfahren und noch bevor ich weiß, was ich tue, stehe ich.
»Könnt Ihr sprechen? Gibt es etwas, das wir tun können?«, fragt Hilena und sie klingt, als würde sie in diesem Moment alles für Ihre Heiligkeit tun.
Die Heilige rührt sich und setzt sich auf. »Es ist alles wieder in Ordnung. Verzeiht mir, wenn ich Euch erschreckt habe.« Ihre Stimme klingt ruhig und klar, und sie schlägt ihren Schleier zurück und lächelt in die Runde.
Ich starre sie ungläubig an. Es sind deutliche Spuren von Erschöpfung auf ihrem Gesicht zu sehen, aber sie lächelt, als wäre nichts gewesen.
»Aber wie...?«, stammelt Hilena, genauso verwirrt wie ich. »Ich war mir sicher, dass Ihr Eure Lungen überlastet habt. Es ist unmöglich, eine überlastete Lunge zu heilen!«
Die Heilige richtet ihren Blick auf Hilena. »Ihr seid sehr aufmerksam«, sagt sie, mustert Hilena dabei jedoch etwas kritisch. »Ich habe meine Lunge nicht geheilt. Ich habe sie ersetzt.«
Es dauert einen Moment, bis ich verstehe, was sie damit meint. Aber selbst dann klingt es eigenartig. Sie spricht über ihre Lunge, als wäre es ein abgenutzter Gegenstand, den sie durch einen neuen ersetzt hat.
»...eh?«, macht Hilena, was mir verrät, dass das auch unter Heilern nicht normal ist.
Die Heilige hebt die Hände. »Es tut mir leid, euch Sorgen gemacht zu haben, aber nun geht es mir wieder gut.«
»Es geht Euch gut?«, wiederholt Mikail, der neben Hilena kniet, und seine Stimme klingt gepresst. »In der letzten Stunde seid Ihr wieder und wieder erstickt und konntet Euch nur mit Euren Kräften am Leben halten!«
Ich kenne diesen Tonfall. Mikail benutzt ihn nur selten und nur wenn er richtig angepisst ist.
»Nun, ja …«, setzt die Heilige an, die nun wohl auch gemerkt hat, dass er wütend ist. »Aber ich versichere Euch, ich war nicht in Lebensgefahr. Es ist wirklich alles in Ordnung.«
Wow, denke ich, denn das sind die letzten Worte, die man zu einem Mann sagt, der sich sein Leben lang um seine kränkliche Schwester gekümmert hat, und sehr sensibel auf die Worte ‚Lebensgefahr‘ und ‚es geht mir gut‘ oder ‚es ist alles in Ordnung‘ reagiert.
»Bei allem Respekt, Eure Heiligkeit, aber wann immer Ihr behauptet, mit Euch sei alles in Ordnung, ist gar nichts in Ordnung!«, braust Mikail auf und die Heilige öffnet mit einem irritierten Ausdruck den Mund, aber er spricht weiter: »Ihr wusstet, dass Euer Körper keine Buffs aushalten kann und Ihr habt Euch dennoch dazu entschieden, sie auf Euch anzuwenden. Sagte ich nicht, dass Eure Gesundheit wichtiger ist als unsere Reisegeschwindigkeit?«
»Ja, aber es geht mir gut -«
»Es geht Euch nicht gut!«, unterbricht Mikail sie, denn sie hat schon wieder denselben Fehler wie zuvor gemacht. »Seit wir hier gelandet sind, geht Ihr rücksichtslos mit Eurer Gesundheit um. Eure Fähigkeiten mögen außergewöhnlich sein, aber Ihr seid immer noch ein Mensch!«
»Das ist mir bewusst«, sagt die Heilige etwas lauter und sieht Mikail nun ihrerseits mit einem strengen Blick an. »Morgen werde ich mich erholt haben, sodass wir weiter -«
»Das ist nicht der Punkt!«
Die Heilige beißt sich auf die Lippen. Kaum verborgener Ärger funkelt in ihren Augen, gleichzeitig ist offensichtlich, dass sie Ruhe braucht und nicht in der Verfassung ist, mit jemandem zu streiten. Insbesondere nicht mit jemandem, der so stur ist wie Mikail.
Mikail scheint das auch zu merken, denn er senkt den Kopf. »Verzeiht mir meine Respektlosigkeit, aber ich bitte Euch, tut so etwas nie wieder.« Die letzten Worte sind mehr ein Befehl an sie und um das zu unterstreichen, sieht er sie eindringlich an.
Und die Heilige starrt zurück.
Ein paar Sekunden vergehen, so als ob beide darauf warten würden, dass der jeweils andere nachgibt. Dann sagt Ihre Heiligkeit: »Ich schätze Eure Sorge um mich. Aber ich werde tun, was immer nötig ist, damit wir schnell zurück nach Libera gelangen.«
In einer anderen Situation hätte ich anerkennend gepfiffen. Vielleicht trägt sie ihren Schleier so gern, weil sie nicht sehr gut darin ist, ihre Miene zu kontrollieren. Nicht nur schlägt sie Mikails Worte in den Wind, sie sieht ihn an, als würde er ihr mächtig auf die Nerven gehen.
Mikails Miene verdüstert sich. »Eure Heiligkeit -«, setzt er an, aber die Heilige zieht sich ihren Schleier übers Gesicht. »Bitte entschuldigt, aber ich würde mich jetzt gerne ausruhen. Ich bin erschöpft.«
Ich hätte beinahe laut aufgelacht. Sie hätte ihm genauso gut sagen können, dass er endlich den Mund halten soll. Und in dieser Situation kann Mikail ihr nicht einmal widersprechen. Auch wenn es ihm sichtlich schwerfällt. »Natürlich, Eure Heiligkeit. Bitte ruht Euch aus und sagt es, falls Ihr etwas braucht«, sagt er, nachdem er aufgestanden ist, und sieht mit einem recht grimmigen Blick auf sie hinab. Dann dreht er sich um und läuft in den Wald.
»Mikail!«, ruft Estella, aber er reagiert nicht darauf und ich bin mir sicher, wären wir in Libera, wäre er jetzt auf dem Weg zum Trainingsgelände, um Dampf abzulassen.
Ich sehe zur Heiligen, die nun auf dem Boden kniet, die Hände vor der Brust verschränkt, als würde sie beten, und sich nicht rührt. Sie tut das oft und ich frage mich, wofür sie ständig betet.
Hilena kniet noch immer vor ihr und scheint zu überlegen, ob sie sie ansprechen soll.
Ich lege ihr eine Hand auf die Schulter und als sie zu mir aufsieht, schüttle ich den Kopf. Dann halte ich ihr meine Hand hin, um ihr aufzuhelfen. »Wie wäre es mit einem Spaziergang?«, frage ich leise, denn ich bin mir sicher, dass ihr nach dem langen Knien die Beine eingeschlafen sind.
Hilena blinzelt und sieht sich um, als wolle sie überprüfen, was die anderen tun, aber dann schenkt sie mir ein schwaches Lächeln und nimmt meinen Arm, den ich ihr hinhalte. Da uns die Barriere der Heiligen wieder umgibt, können wir unbesorgt ein Stück gehen, wobei ich darauf achte, nicht Mikail zu folgen und Edens Präsenz zu meiden.
Es beginnt gerade zu dämmern und der Wald ist ruhig. Wahrscheinlich da dank Ihrer Heiligkeit auch alle Tiere im Wald vertrieben wurden.
»Wie geht es dir?«, frage ich, während ich ihr Gesicht von der Seite inspiziere. Sie sieht erschöpft aus.
Trotzdem macht sie ein verwirrtes Gesicht. »Ich? Wieso fragst du mich das? Es war Ihre Heiligkeit, die beinahe gestorben wäre.« Hilena schüttelt den Kopf. »Ich verstehe es immer noch nicht. Der Gedanke, die Lunge bei Überlastung neu wachsen zu lassen, ist mir gar nicht gekommen. Und zuerst scheint es eine offensichtliche und einfache Lösung zu sein, aber es ist nichts, dass du an dir selbst vornehmen kannst. Die Lunge ist so ein kompliziertes Organ! Allein sie völlig neu wachsen zu lassen erfordert schon so viel Wissen, Konzentration und Feingefühl, was das Nachwachsen von Gewebe angeht. Dazu kommt, dass die Funktion der Lunge ersetzt werden muss, nachdem die überlastete Lunge entfernt wurde, ohne dabei Schäden anzurichten.« Sie drückt ihren Handballen gegen ihre Schläfe, als hätte sie Kopfschmerzen. »Es ist so ein gefährlicher und komplizierter Eingriff. Es ist einfach nicht möglich, dass Ihre Heiligkeit all das innerhalb einer Stunde an sich selbst vorgenommen hat.«
Ich lege meine Hand auf Hilenas, die auf meinem Unterarm liegt. »Vergiss die Heilige mal für einen Moment. Ich habe dich gefragt, wie es dir geht, nicht wie es der Heiligen geht.«
Hilena bleibt stehen. »Wie könnte ich das vergessen? Es war so schlimm, dabei zuhören zu müssen, wie sie …« Sie bricht ab und beißt sich auf die Lippe. Sie sieht zu mir auf und die Sorge in ihren Zügen verblasst etwas. Dann schlingt sie die Arme um mich und vergräbt ihr Gesicht in meiner Schulter. »Danke«, nuschelt sie und ich denke, wie froh ich bin, dass sie mich vorhin geläutert hat.
»Wofür?«, frage ich, während ich ihr Haar streichle. Und dann kichert sie plötzlich und hebt den Kopf, um mich anzusehen. »Das sollte ich nicht sagen oder es ermutigt dich noch, dich der Königsfamilie zu widersetzen.«
»Ah«, mache ich, als ich verstehe, dass sie die Sache mit Eden meint. Und dann muss ich auch lachen. »Keine Sorge, ich würde es nicht bereuen, selbst wenn der König davon erfährt. Eden hat es verdient und ich würde es nochmal tun.«
»Nein, das darfst du nicht!« Hilena hört auf zu lachen. »Einmal geht noch als Ausrutscher durch, aber Eden ist immer noch ein Prinz. Du könntest ernsthafte Schwierigkeiten bekommen.«
»Das glaube ich nicht. Selbst der König weiß, dass Eden sich nicht benehmen kann.« Außerdem ist es seine Schuld, dass die Heilige sich in Gefahr gebracht hat und wenn das herauskäme, würde es ihm ernsthafte Schwierigkeiten einbringen. Aber das sage ich nicht laut, um die Heilige nicht wieder ins Gespräch zu bringen.
»Trotzdem, du musst vorsichtiger sein.«
Ich seufze, aber natürlich hat sie recht.
Sie lächelt. »Aber ich war froh, dass du mich verteidigt hast. Es hat mir schon ein bisschen Angst gemacht, wie er mich angeschrien hat.«
Ich nicke, während ich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr streiche.
»Nicht viele hätten das getan. Einen Prinzen geohrfeigt, nur weil er mich beleidigt hat.« Sie sieht mich mit einem stolzen Ausdruck an und das allein ist die Ohrfeige Wert gewesen.
»Ich werde immer da sein, um dich zu verteidigen«, sage ich und beuge mich zu ihr hinunter.
Hilena beißt sich auf die Lippe und ein hübscher Hauch Röte erscheint auf ihren Wangen. Sie nickt und ihr Blick huscht zu meinen Lippen.
Ich grinse. Dann überwinde ich die letzten Zentimeter und küsse sie.
Diesmal lässt Hilena es zu und ich spüre, wie sie die Hände auf meine Schultern legt, auch wenn sie den Kuss etwas zaghaft erwidert. »Ich wusste es«, murmelt sie, wobei sie mich sanft zurückdrückt, um sprechen zu können.
Ich sehe sie fragend an.
»Es pikst.«
»Heißt das, ich muss warten, bis ich ein Rasiermesser gefunden habe?«, frage ich mit gerunzelter Stirn.
Hilena sieht auf zu meinen Augen und als ich ihren Blick sehe, weiß ich die Antwort. Sie schüttelt den Kopf.
Als ich sie diesmal küsse, schlingt sie ihre Arme um meinen Hals und öffnet ihren Mund für mich, während sie sich an mich drückt.
Ich liebe es, wenn sie ehrlich ist und mir zeigt, dass sie mich will, auch wenn wir uns oft streiten. Wenn sie sich auf mich verlässt und beweist, dass sie mir vertraut.
Meine Hände wandern ihren schmalen Rücken hinab und Hilena gibt ein leises Seufzen von sich, als würde ihr das gefallen. Meine Fingerspitzen erreichen ihre Hüfte. Und dann raschelt und knackt es geräuschvoll neben uns.
Ich hebe abrupt den Kopf, denn es ist eindeutig das Geräusch von jemandem, der durch den Wald rennt. Und als ich sehe, wer es ist, bleibt mir die Luft weg.
»E-Eure Heiligkeit«, stammelt Hilena und schubst mich von sich, in ihrer Eile, sich von mir zu lösen.
Die Heilige trägt weder ihren Schleier noch den Mantel der Heiligen und ihre geröteten Wangen und der schwere Atem verraten, dass sie sich sehr beeilt hat herzukommen. »Geht zu den anderen zurück!«, sagt sie und ihre angespannte Stimme klingt etwas tiefer als sonst. »Sofort!« Noch während sie spricht, läuft sie wieder in den Wald und nicht in die Richtung, in der ich die Präsenzen von Estella, Dalton und Eden spüre.
Wenn sie durch den Wald rennt, obwohl sie sich ausruhen wollte, muss es um etwas Ernstes gehen. So wie als wir von den Gargoyle angegriffen wurden und ich sehe zum Himmel. Aber dort ist nichts zu sehen. Keine Gargoyle oder andere fliegende Monster. Und kein goldenes Schimmern.
Konstruktive Kritik ist immer erwünscht. Schreib mir, was du denkst und hilf mir damit weiter :)
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