Tod der Heiligen
XVI.
So gerne ich mich auch ausruhen würde, so gibt es doch eine wichtige Sache, die ich gelernt habe. Mich selbst zu buffen war eine schlechte Idee. Aus offensichtlichen Gründen und auch wenn ich in Zukunft meine Debuffs entfernen könnte, anstatt mich zu buffen, müsste ich für meine Begleiter dieselben Folgen vortäuschen. Und eine Erklärung finden, weshalb die Heilige einen Hang zur Selbstpeinigung hat.
Mit anderen Worten, ich muss schleunigst eine andere Methode zum Reisen für mich finden, wenn ich nicht will, dass der nächste Morgen genauso anfängt wie der heutige. Und das Einzige, was mir dazu einfällt, ist einen weiteren Tierkadaver zu finden, den ich als Reittier benutzen kann. Ich wäre sogar mit einem zufrieden, den ich nicht wiederbeleben kann. Ich würde auf einem Skelett reiten, wenn ich Eden damit von mir fernhalten könnte (und das würde ich, auch wenn es physikalisch unmöglich ist, ein Skelett zu reiten), aber was mir der Weltstrom stattdessen zeigt, lässt mich hastig die Verbindung trennen. Soldaten!
Obwohl ich nicht lange mit dem Weltstrom verbunden war, empfangen mich Kopfschmerzen, als ich die Augen öffne – und Edens Gesicht.
Er kniet vor mir und starrt mich an, als würde er versuchen, durch meinen Schleier hindurchzusehen, den er wohl abgenommen hätte, wäre da nicht mein Schild.
Ich ignoriere ihn und erschaffe eine neue, kleinere Barriere, bevor ich die große und schimmernde auflöse. Dabei achte ich darauf, dass sich alle innerhalb der neuen Barriere befinden, um zu verhindern, dass die Soldaten die Präsenzen meiner Begleiter wahrnehmen. Aber während Jake und Hilena einen Spaziergang zu machen scheinen und meine Barriere, die nun kleiner ist und nicht mehr schimmert, versehentlich verlassen könnten, befindet sich Mikail so dicht an der Stelle, auf die die Soldaten zureiten, dass sie ihn sehen werden.
»Aus dem Weg, Euer Hoheit!«, sage ich, während ich den Schild entferne. Meine Debuffs habe ich aus naheliegenden Gründen nicht erneuert, weshalb mich kein Schwindel überkommt, als ich aufstehe.
»W-Was…?«, stammelt Eden, offenbar so überrascht, dass er keine Anstalten macht, mich aufzuhalten, als ich ihn umrunde.
Ich gehe auf Dalton, Estella und Annie zu, die um das Lagerfeuer sitzen und ziehe im Gehen, meinen Schleier von meinem Kopf. »Löscht das Feuer und bleibt hier«, sage ich, während ich meinen Schleier zu Boden fallen lasse und auch den Mantel der Heiligen ausziehe. Beides ist hinderlich, wenn ich schnell durch den Wald laufen will. Den Mantel lege ich Annabella um die Schultern.
»Was ist los?«, fragt Estella und springt in Alarmbereitschaft auf die Füße.
»Es sind Soldaten in der Nähe, deshalb musste ich meine Barriere verkleinern und verstecken.«
»Aber Mikail ist im Wald!«, sagt sie und will tatsächlich loslaufen.
»Bleibt hier!«, sage ich mit scharfer Stimme, was sie erstarren lässt. »Ich hole ihn und die anderen.« Ich warte nicht darauf, das noch jemand protestiert und laufe in den Wald.
Zuerst folge ich den Präsenzen von Jake und Hilena, weil sie am nächsten sind. Glücklicherweise haben sie sich nicht weiter weg bewegt, was, wie ich feststellen darf, daran liegt, dass sie mit Knutschen beschäftigt sind.
»Geht zu den anderen zurück! Sofort!«, sage ich, während die zwei mich angucken, wie zwei Hühner, die der Fuchs überrascht hat. Dann laufe ich weiter.
Mikail muss fast bis zum Rand meiner alten Barriere gegangen sein und sobald ich für Hilena und Jake außer Sichtweite bin, verschwinde ich im Schatten. Ich kann nicht direkt zu ihm teleportieren und da ich ihn für aufmerksamer halte als eine verletzte Annabella, tauche ich gut zwanzig Meter von ihm entfernt wieder auf.
Die Soldaten tragen alle Verdecker bei sich, sodass ich mich konzentrieren muss, um sie zu finden. Verdecker verhüllen die Energie ihres Trägers, indem sie sie mit ihrem eigenen Mana umhüllen. Mana verbirgt man damit, dass man es davon abhält, Druck auf fremde Energie auszuüben, so wie jede Energie es instinktiv tut. Aber es ist nahezu unmöglich, diese Eigenschaft vollständig zu unterdrücken, sodass ein kleiner Restdruck bleibt, den man aufspüren kann, wenn man sein Mana dünn genug streut.
Im Rennen ist es nicht ganz leicht, sich darauf zu konzentrieren, aber ich habe es oft genug gemacht, sodass ich den leichten Widerstand gegen mein Mana wahrnehme. Und die Soldaten sind näher als ich dachte. So nah, dass ich mich frage, weshalb ich noch keine Pferdehufe höre. Sie müssen einen Schallblocker bei sich tragen, ein verzauberter Gegenstand, der sämtliche Geräusche innerhalb seines Wirkungsbereichs nach außen abblockt.
Ich erreiche die kleine Lichtung, auf der Mikail steht. Zweige, Blätter und Steine fliegen um ihn herum und ich nehme an, dass er seine Telekinese trainiert. Aber als ich auf die Lichtung gestürmt komme, fällt alles zu Boden.
»Eure Heil -«, setzt Mikail an, mit vor Überraschung geweiteten Augen, aber ich sehe nur die Gestalten, die hinter ihm zwischen den Bäumen auftauchen.
Den Schwung meines Sprints nutzend, reiße ich Mikail mit mir zu Boden, wo uns das Buschwerk verbergen sollte. Sein Körper federt meinen Sturz ab, während er sich mit seiner Aura schützt.
Ich stütze mich hoch und presse mir bedeutungsvoll einen Finger auf die Lippen.
Mikail liegt unter mir, vermutlich verwirrt, aber er signalisiert mir mit einem Nicken, dass er verstanden hat.
Ich hebe vorsichtig den Kopf und spähe zwischen den Büschen hindurch. Da es dämmert und die Sicht entsprechend schlechter ist, habe ich die Hoffnung, dass die Soldaten einfach an uns vorbeireiten, aber leider ist uns das nicht vergönnt.
Die Soldaten preschen auf uns zu und dann kann ich sie plötzlich hören. Nicht nur die Pferde, sondern auch die Soldaten, die etwas sagen. Sie sind zu weit weg, um es zu verstehen, aber sie deuten in unsere Richtung. Einer von ihnen hat dabei eine Waffe in der Hand.
Ich fluche leise. Ich kenne diese Waffen. Ein Schießeisen. Die Wachen einer Delegation, die Libera vor etwa zwei Jahren besucht hat, hatte unter anderem solche Waffen an ihre Gürtel geschnallt. Sie sehen aus, wie Rohre mit einem Griff und sie schießen Kugeln in einer Geschwindigkeit, die jeden Pfeil übertrifft. Als der König gesehen hat, wozu sie imstande sind, und das ganz ohne dabei die Energie des Schützen zu verbrauchen, hat er sie in Ishitar verboten.
Aber ich mache mir keine Sorgen, dass ich einen Schuss aus dieser Waffe nicht abwehren kann, im Gegenteil. Wenn sie auf uns schießen, wird die Kugel von meiner Barriere abprallen und sie werden wissen, dass wir hier sind.
Ich kneife die Augen zusammen, während ich mich auf die Präsenzen an unserem Lagerplatz konzentriere. Jake und Hilena haben auf mich gehört, denn sie sind nun alle dort, sodass ich eine weitere noch kleinere Barriere erschaffen kann. Es erfordert etwas mehr Konzentration, weil ich die Barriere ein gutes Stück von mir entfernt beschwören muss, und da ich mich beeile, ist sie nicht ganz so stark. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass jetzt ein Monster auftaucht, ist sehr gering und es geht in erster Linie darum, dass die Soldaten keine unserer Präsenzen spüren.
Die Soldaten sind näher gekommen, als ich mich wieder auf sie konzentriere.
»...sehe da nichts«, sagt einer von ihnen, wobei er in einem schweren Dialekt spricht oder einfach so sehr nuschelt, dass ich den Anfang des Satzes nicht verstehe. Mein Sottisch ist etwas eingerostet.
Ich knirsche mit den Zähnen, während ich Mikails Präsenz verberge und dann hastig die Barriere entferne.
»Wir haben kein einziges Tier oder Monster gesehen, seit wir diesen Wald betreten haben«, antwortet der andere mit klarerer Stimme. »Aber das sehen wir gleich.« Er hebt sein Schießeisen und richtet es auf uns.
Meine Gedanken beginnen zu rasen. Ich habe die Barriere entfernt, aber ich habe keine Möglichkeit, den Schuss abzuwehren, ohne dass die Soldaten uns bemerken. Ein Schild hätte denselben Effekt wie die Barriere, aber ich kann die Kugel auch nicht in meinem Schatten einfangen. Nicht nur würde der Einschlag ausbleiben, ich kann vor Mikail keine Schattenmagie demonstrieren. Ausweichen geht auch nicht, da der Schuss von schräg oben kommt und Mikail treffen würde. Vorausgesetzt er trifft uns, aber ich will meine Hoffnung nicht darauf setzen, dass der Soldat daneben schießt.
Es knallt.
Ich bin noch in Gedanken damit beschäftigt, einen Schild zu konstruieren, der den Schuss ablenken könnte, als ich gepackt und herumgewirbelt werde. Mit einem Mal liege ich auf dem Rücken und ein Gewicht presst mich zu Boden. Fast im selben Moment schlägt die Kugel neben mir ein. Ich kann die Erschütterung im Boden spüren und drehe instinktiv den Kopf in die entgegengesetzte Richtung und kneife die Augen zusammen. Ich kann meine Arme nicht heben, aber ich schaffe es, mich davon abzuhalten, instinktiv einen Schild zu beschwören. Aber das ist auch nicht nötig.
Ich öffne die Augen.
Mikail liegt über mir, die Arme neben meinem Kopf aufgestützt und beugt sich über mich, sodass er mich von dem Regen aus Zweigen und Erdbrocken abschirmt, der auf uns niedertrommelt. Er ist so nah, dass der Stoff seines Hemds meine Wange berührt und ein tiefer, dunkler Geruch steigt mir in die Nase, der Männer oft umgibt.
Ich halte unwillkürlich die Luft an, während ich mir der Tatsache bewusst werde, dass das Gewicht, das mich zu Boden drückt, seins ist. Der überwältigende Drang, ihn von mir zu stoßen, überkommt mich, aber ich kann nicht. Die Soldaten sind noch immer da. Ich kann sie reden hören.
»… sag doch, da ist nichts.«
»Hm …«
Ich kann Mikails Atem neben meinem Ohr hören. Das leise Schnaufen, als würde er versuchen, seine Atemlosigkeit zu verbergen.
Ich erschaudere. Meine Arme zucken, dem Drang folgend, ihn von mir zu stoßen. Aber das Gewicht seines Körpers presst gegen sie und scheint zu schwer, als dass ich ihn von mir drücken könnte. Und selbst wenn ich es könnte, darf ich es nicht. Mein Körper bebt unter der Anstrengung, ihn ruhig zu halten, und eine vertraute lähmende Steifheit breitet sich in mir aus. Und das widerliche Gefühl fremder Körperwärme sickert durch den Stoff meines Kleids und kriecht über meine Haut wie tausende Ameisen.
Übelkeit steigt in mir auf und entgegen meinem Willen kommt mir ein Röcheln über die Lippen, als ich nach Luft ringe und gleichzeitig würge.
»War wohl doch Einbildung«, sagt einer der Soldaten genau in diesem Moment und übertönt damit das Geräusch, das ich gemacht habe.
Ich beiße mir fest auf die Lippe, um zu verhindern, einen weiteren Fehler zu machen. Und da spüre ich, wie Mikails Gewicht verschwindet.
Ich blinzle überrascht und schiele zu ihm.
Er hat den Kopf zur Seite gedreht, so weit es geht, aber ich kann trotzdem den Ausdruck auf seinem Gesicht sehen. Die zusammengezogenen Brauen und der unstete Blick, als wäre ihm die Situation ebenfalls unangenehm. Außerdem scheint er sich zu bemühen, sein Gewicht auf seine Arme und Beine zu verteilen und seinen Körper von meinem zu heben, sodass wir uns nicht berühren.
»Können wir dann weiter? Wer weiß, wie lange wir hier bleiben müssen, wenn wir wegen jedem wackelnden Ast anhalten.«
Ich atme zittrig aus, während ich den Kopf wieder zur Seite drehe, in dem Versuch, Mikails Nähe auszublenden. Leider habe ich so seinen Unterarm direkt vor meinem Gesicht. Aber es ist in Ordnung, denke ich, während ich nun wieder Pferdehufe höre. Wir sind in dieser Position, weil wir uns verstecken mussten, und das wird gleich vorbei sein.
Das Geräusch der Pferdehufe verstummt abrupt, als die Soldaten sich von uns entfernen und wir nicht mehr im Radius des Schallblockers sind. Was bedeutet, sie sind näher als es den Anschein hat und es wäre sicherer, noch einen Moment den Kopf unten zu halten. Aber das heißt nicht, dass wir übereinander liegen müssen.
Ich drücke gegen Mikail und ich habe kaum Kraft ausgeübt, da rollt er sich zur Seite, sodass er neben mir liegt.
»Bitte verzeiht mir, Eure Heiligkeit«, sagt er mit leiser Stimme.
Ich stütze mich hoch – darauf bedacht, hinter den Büschen zu bleiben – und drehe mich von Mikail weg, während ich einen Läuterungszauber auf mich wirke. Währenddessen tue ich so, als würde ich angestrengt den Soldaten hinterhersehen. Wobei es keine schlechte Idee ist, zu überprüfen, ob die Soldaten tatsächlich gehen. Das tun sie. Sie setzen ihren Weg nach Osten fort, in sicherer Entfernung zu der Barriere, die die anderen umgibt.
Ich atme auf. »Sie sind weg«, sage ich, ohne es dabei zu schaffen, meine Stimme so kräftig und entschlossen klingen zu lassen, wie ich wollte. Ich sehe zu Mikail, der sich ebenfalls aufgesetzt hat und nun gut eine Armeslänge von mir entfernt kniet, die Hände auf den Oberschenkeln. Außerdem hängen ihm Zweige und Erdbröckchen in den Haaren und der untere Teil seiner Ärmel und die Knie seiner Hose sind dreckig.
Er mustert mich. Dann senkt er den Kopf. »Ich danke Euch. Ohne Euch hätten mich die Soldaten entdeckt. Ich hätte aufmerksamer sein sollen. Meinetwegen musstet Ihr in Eurem Zustand durch den Wald rennen. Verzeiht mir.«
Ich runzle die Stirn. War seine Entschuldigung zuvor auch darauf bezogen, dass ich seinetwegen durch den Wald gerannt bin? Jetzt, wo ich darüber nachdenke, ist das naheliegend. Er war vorhin so aufgebracht, weil ich mich überanstrengt habe und er weiß nichts von meiner Abneigung gegen Berührungen. Ich dachte, er hätte etwas bemerkt, als er sich bemüht hat, mich trotz unserer Nähe nicht zu berühren. Aber vielleicht hat er seine eigenen Gründe.
»Sie hatten Verdecker und einen Schallblocker dabei. Ihr hättet sehr aufmerksam sein müssen, um sie zu bemerken, bevor sie Euch bemerken«, sage ich, erleichtert von dem Gedanken, dass er mein Verhalten für die Nachwirkungen der Überbelastung hält.
»Aber ich hätte sie bemerken können«, erwidert Mikail, noch immer mit gesenktem Kopf.
Ich sehe ihn erschöpft an. Ich meinte, dass es so gut wie unmöglich für ihn gewesen wäre, die Soldaten rechtzeitig zu bemerken. »Ihr solltet zu den anderen zurückgehen. Ihre Hoheit war besorgt um Euch.«
Er hebt den Kopf, um mich anzusehen. »Was ist mit Euch?«
»Um mich schien sie sich keine Sorgen zu machen und ich sehe keinen Grund, weshalb sie das sollte.«
Er lacht leise. »Da wäre ich mir nicht so sicher. Aber ich meinte, ob Ihr nicht mit mir zurückgehen werdet.«
»Ich komme nach«, sage ich. Da er sich dafür entschuldigt hat, dass ich seinetwegen durch den Wald gerannt bin, wird er wohl einsehen, dass ich jetzt eine Pause brauche.
Mein Blick bleibt an der Erde in seinen Haaren hängen. Dann schnippe ich mit den Fingern und wirke einen Läuterungszauber auf ihn. Die anderen würden nur Fragen stellen und außerdem ist er dreckig geworden, während er mich abgeschirmt hat.
Er runzelt über meine Geste die Stirn, aber dann sieht er an sich hinunter. »Oh, danke«, sagt er.
Ich zucke nur mit den Schultern, da es kein großer Aufwand ist, und warte darauf, dass er geht.
Aber er macht keine Anstalten aufzustehen. »Wenn es Euch nichts ausmacht, bleibe ich ebenfalls noch einen Moment.«
»Weswegen?«, frage ich, denn es macht mir sehr wohl etwas aus. Was ich jetzt brauche, ist Alkohol, aber ich kann nicht einfach eine Flasche aus meinem Schatten holen, wenn er da ist.
Mikails Blick huscht über die Büsche hinter mir. »Um den Schock zu verdauen. Das Ganze kam doch sehr plötzlich …«
»Ihr seid ein grauenhafter Lügner«, stelle ich trocken fest.
Ein ertappter Ausdruck erscheint auf seinem Gesicht. Dann reibt er sich mit einer Hand den Nacken. »Verzeiht mir. Die Wahrheit ist, dass ich Euch nicht allein lassen will.«
Ich wusste es, denke ich resigniert.
»Außerdem kann ich die Präsenzen der anderen nicht mehr spüren und ich will nicht riskieren, mich zu verlaufen.« Mikail legt die Stirn in Falten, als wäre er verwirrt, aber er sieht mich an, als wüsste er, dass das meine Schuld ist.
»Richtig«, murmle ich, auch wenn diese Ausrede nicht viel besser ist, als seine erste. Aber ich errichte eine neue Barriere, die ihn und mich mit einschließt. Dann entferne ich die, die die Präsenzen der anderen verbirgt.
Als ich Mikail ansehe, ist seine Stirn wieder glatt und er trägt einen Ausdruck milder Überraschung. »Ich hatte mich gefragt, weshalb ihre Präsenzen plötzlich verschwunden sind. Aber ich dachte mir, dass Ihr das wart.«
»Ich musste die Barriere verkleinern, um zu verhindern, dass die Kugel von ihr abprallt«, erkläre ich knapp.
Seine Augen weiten sich. Dann lächelt er. »Es sollte mich nicht mehr überraschen, aber Eure Fähigkeiten sind wirklich beeindruckend. Ich weiß nicht, ob ich die Geistesgegenwart besessen hätte, meinen Schutz zu entfernen, während jemand mit einem Schießeisen auf mich zielt.« Er sagt das, aber er hat ebenfalls kein Schild beschworen. Und das, obwohl er zu wissen scheint, was ein Schießeisen ist.
»Wo wir davon sprechen, woher wusstet Ihr, dass die Soldaten hier sind?« Sein Lächeln verblasst etwas und macht Misstrauen Platz.
»Könnt Ihr Euch das nicht denken?«, frage ich im Gegenzug. Immerhin verlässt er sich seit wir hier sind auf alle meine Informationen, die ich vom Weltstrom habe.
»Ich nehme an, auf dieselbe Art, wie Ihr herausgefunden habt, wo wir sind und wo sich das nächste Dorf befindet. Aber Ihr habt mir nie eine klare Antwort darauf gegeben.«
Ich setze mich auf, nun da die Soldaten endgültig weg sind und die Steifheit langsam meinen Körper verlässt. »Ihr seid nicht sehr religiös, oder?«
Mikail blinzelt und ein betretener Ausdruck huscht über sein Gesicht. »Ich wollte nicht andeuten, dass ich Euch nicht vertraue.«
»Wieso nicht?«
Er blinzelt erneut, diesmal verdutzt. »Verzeihung?«
»Wieso solltet Ihr verheimlichen, dass Ihr mir nicht vertraut, wenn es so ist?« Ich habe mir nicht viel dabei gedacht und nur gesagt, was mir durch den Kopf geht, aber Mikails Gesichtsausdruck, als wäre er ein Taschendieb, den ich auf frischer Tat ertappt habe, ist so einmalig, dass ich mich zusammenreißen muss, um nicht zu kichern.
»Das ist …«, setzt er an, nur um innezuhalten und sich über die Lippen zu lecken. »Es ist weniger, dass ich Euch nicht vertraue und mehr, dass ich Euch nicht kenne.«
»Wo ist der Unterschied?« Ich lege den Kopf schief, als wäre ich verwirrt über seine Worte.
Mikail räuspert sich. »Der Unterschied ist, dass ich noch nicht entschieden habe, ob ich Euch vertrauen kann.«
»Aber das bedeutet doch, dass Ihr mir jetzt gerade nicht vertraut.«
»So würde ich das nicht sagen …« Er senkt blinzelnd den Blick, während er nach den richtigen Worten zu suchen scheint und an diesem Punkt, kann ich nicht anders. Ich beginne zu kichern.
»Eure Heiligkeit?« Er macht ein völlig verwirrtes Gesicht, als er mich ansieht, als wisse er nicht, wie er mit meiner Reaktion umgehen soll.
Aber es tut gut zu lachen. Ich streiche mir ein paar Haare aus dem Gesicht. »Dachtet Ihr, es würde mich beleidigen, dass Ihr mir nicht vertraut? Oder wieso seht Ihr mich an, als könnte ich Euch jeden Moment den Kopf abreißen?«
Mikail starrt mich an, aber diesmal kann ich seinen Ausdruck nicht deuten. Er ist eigenartig steinern. Dann öffnet er den Mund. »Weil ich weiß, dass Eure Heiligkeit mir gegenüber Abneigung empfinden.«
Ich höre auf zu lachen. Was?
Kommentar
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