Kitsune

XIX.

Gehütetes Wissen

Die Tage vergehen schnell für Rem, während sie sich mit Arbeit zuschüttet, um so wenig Zeit wie möglich zu Hause zu verbringen. Es ist fast wie vor einem Jahr, sogar der Grund ist derselbe. Nur dass sie ihre Wohnung nicht meidet, weil sie Kosuke vermisst, sondern weil er dort ist. Aber dann kommt das Wochenende und Rem hat keinen Grund ihre Wohnung zu verlassen. Und so beschließt sie, überhaupt nicht vor die Tür zu gehen, um zu vermeiden, noch einmal ‚zufällig‘ auf Kosuke zu treffen. Nicht, dass es sehr angenehm ist, da sie ständig daran denken muss, dass er sie hören kann, wenn sie zu laut ist. Was unvermeidbar ist, während sie den Haushalt macht. Und dann, gerade als sie den Staubsauger ausgeschaltet hat, klingelt es an der Tür und Rem muss nicht durch den Türspion sehen, um zu wissen, wer davor steht.

Sie atmet geräuschvoll aus, während ihr das Herz bis zum Hals pocht. Aber diesmal würde sie nicht wie erstarrt dastehen. Mit ihrem auf-Arbeit-Gesicht öffnet sie die Tür und sieht Kosuke an, als wäre er ein Kunde, der ihr mit sexueller Belästigung Probleme gemacht hat.

Aber ihre Zuversicht bröckelt, als Kosuke sie ansieht und prustet. Es braucht all ihre Selbstbeherrschung, um ihm nicht die Tür vor der Nase zuzuknallen. »Wenn du nur hier bist, um mich auszulachen, verschwinde!«, knurrt sie und hofft, dass er die Röte auf ihrem Gesicht für Wut hält.

»Nein, tut mir leid!« Kosuke hebt eine Hand, aber er grinst immer noch. »Es ist nur, du machst genau das Gesicht, das ich erwartet habe.«

Rem verdreht die Augen und überlegt noch einmal, die Tür zuzuknallen.

»Hör zu, ich bin nur hier, um dir zu sagen, dass du dir echt keine Sorgen machen musst«, sagt er, während er beiläufig seinen Fuß im Türrahmen platziert. »Ich weiß, dass du deinem Kerl gesagt hast, dass er nicht mehr herkommen soll, aber es stört mich nicht. Wir sind erwachsen und ich kann Kopfhörer aufsetzen.«

Rem verzieht das Gesicht, während sie spürt, wie ihr Gesicht noch heißer wird. Trotzdem beugt sie sich etwas vor. »Es ist mir egal, ob es dich stört oder nicht. Es stört mich!«

»Komm schon, Rem, willst du wirklich dein Leben einschränken, weil ich hier wohne? Ich weiß, dass es unangenehm ist, aber ich will wirklich nur mein Zeug machen, also lass uns einfach gute Nachbarn sein, okay?«

»Mach dir darum keine Gedanken, ich werde umziehen, sobald ich eine Wohnung gefunden habe.«

Kosuke blinzelt. »Ernsthaft? Nur weil ich eingezogen bin?«

»Nein!« Rem schüttelt den Kopf und ärgert sich, dass sie nicht ein bisschen gieriger ist. Oder die Entscheidung umzuziehen nicht getroffen hat, als Kosuke Schluss gemacht hat. »Der einzige Grund, warum ich überhaupt in so einer schäbigen kleinen Wohnung wohne, bist du.«

Kosukes Züge verhärten sich und Rem beißt sich auf die Zunge. Wie sehr sie es auch versucht, sie schafft es nie, ihre Emotionen im Zaum zu halten, wenn Kosuke vor ihr steht. Sie weiß nicht, ob es an der Scham liegt, die sie durch seinen Betrug verspürt, oder einfach der Tatsache, dass sie einander schon so lange kennen, aber sie hasst es.

Kosuke sieht zu Boden. »Es tut mir leid. Wenn du willst, geh ich dir aus dem Weg. Ich bin sowieso die meiste Zeit drinnen und zeichne. Du kennst mich ja.«

Rem beobachtet, wie er mit seinen Ohrringen spielt. Eine nervöse Angewohnheit von ihm und sie weiß auch, dass er die Sache mit Inouye als Erstes angesprochen hat, weil er dachte, er könnte damit das Eis brechen. Und es ist nicht so, dass sie seine Situation nicht verstehen kann und ändern lässt sich daran jetzt sowieso nichts mehr.

»Gut, war das jetzt alles?«

Kosukes Finger stoppen und er sieht Rem mit traurigen Augen an. Als sie noch ein Paar waren, ist Rem bei diesem Blick immer schwach geworden. Aber jetzt beißt sie die Zähne zusammen und starrt ihn so gleichgültig wie möglich an.

»Ja, ähm. Ich hätte dir Bescheid sagen sollen, bevor ich einziehe, aber ich dachte…« Er bricht ab und schüttelt den Kopf. »Dann werde ich dich nicht mehr stören. Hab noch ein schönes Wochenende, Rem.« Er lächelt, aber es ist ein unbeholfenes Lächeln, bei dem er wieder mit seinen Ohrringen spielt. Dann geht er.

Rem schließt die Tür und lehnt sich erschöpft mit dem Rücken dagegen. Sie braucht wirklich eine neue Wohnung. Und zwar so schnell wie möglich.


 

Auch nach ihrem Gespräch mit Kosuke ändert sich nichts an Rems Bemühungen, so wenig Zeit wie möglich zu Hause zu verbringen. Und Arbeit hat sie genug zu tun. Der Termin mit Sakitronics rückt näher, was zur Folge hat, dass sie öfter mit Inouye arbeitet. Seit diesem Freitag, an dem Rems E-Mail-Postfach abgestürzt ist, hat er nicht mehr versucht, sie dazu zu überreden, mit ihm nach Hause zu gehen und es ist tatsächlich wieder fast so wie vorher. Aber sie bemerkt, dass er sie beobachtet, als würde er darauf warten, dass sie unvorsichtig wird.

Es ärgert sie, weil er es so wirken lässt, als wäre er der einzige, der frustriert ist. Mehr noch, manchmal benimmt er sich fast, als ginge es ihm um mehr als Sex. Und es ärgert sie, dass er ihr damit Ideen in den Kopf setzt. Sie ertappt sich sogar bei dem Gedanken, sich weiter mit ihm zu treffen, sobald sie eine neue Wohnung gefunden hat. Es führt ihr nur vor Augen, dass sie beginnt, ihre Beziehung zu Inouye für selbstverständlich zu nehmen und allein der Gedanke, dass sie schon wieder zu viel in eine Beziehung steckt, nur um zurückgewiesen zu werden, ist unerträglich.

Und dann ist der Tag für das erste Treffen mit Sakitronics da. Wie zu erwarten, nehmen die Vertreter von Sakitronics eine sehr aggressive Stellung ein. Das heißt, sie sind an der Grenze zur Unverschämtheit.

»Sie verstehen sicher, dass ein Konzern wie Sakitronics eine Absicherung braucht, wenn wir mit einem unerfahrenen, kleinen Unternehmen wie...wie war noch gleich der Name?« Ein Mr. Kunieda, der in Rems Augen etwas von einem Gangster hat, ist von Sakitronics Seite für den Vertrag zuständig. Er ist groß und breit und das ist wahrscheinlich sogar der Grund, weshalb er mit ihnen verhandelt. Und es ist offensichtlich der einzige Grund.

Rem lächelt ungerührt. »Der Name ist Noué, Mr. Kunieda. Und obwohl wir ein kleines Unternehmen sind, arbeiten wir sehr gründlich. Zum Beispiel nehmen wir uns vor jedem Meeting die Zeit, den Namen unseres Kunden zu lernen.«

Mr. Kunieda schnaubt und sein Gesicht verhärtet sich. Es ist nicht immer ratsam, Provokationen so direkt zurückzugeben, besonders dann, wenn der Kunde es darauf angelegt hat, die Verhandlungen schwerer zu machen. Aber in diesem Fall ist es in Ordnung.

Rem wirft einen Blick zu dem Platz neben sich.

»Natürlich nimmt Sakitronics darüber hinaus einen besonderen Platz unter unseren Kunden ein und wir werden so entgegenkommend sein, wie es uns möglich ist«, sagt Inouye mit einem charmanten Lächeln, als wäre er bereit für ein Fotoshooting. Sogar seine Stimme klingt so weich, dass er eine Beleidigung wie ein Kompliment klingen lassen könnte.

Mr. Kunieda jedenfalls scheint die grobe Erwiderung, die er Rem zweifellos geben wollte, vergessen zu haben. Er räuspert sich. »Das ist erfreulich, aber unsere Standards sind möglicherweise etwas höher, als das, was Sie gewohnt sind. Ich hoffe, wir können uns darauf verlassen, dass unsere Aufträge zufriedenstellend erfüllt werden.«

»Bitte schauen Sie in den Vertrag, den wir Ihnen vorgeschlagen haben, und suchen Sie sich eine konkrete Stelle aus, die Sie kritisieren wollen, Mr. Kunieda. Das ist eine Vertragsverhandlung. Sie sollte doch wissen, wie das abläuft«, sagt Rem und Mr. Kuniedas Gesicht, das sich nach Inouyes Worten entspannt hat, verzieht sich verärgert, als er den Blick wieder auf Rem richtet.

»Es ist auch in unserem Interesse, dass Sie rundum zufrieden mit den Vertragsbedingungen sind«, sagt Inouye, bevor Mr. Kunieda den Mund aufmachen kann. »Als Werbeagenten ist es unsere Aufgabe, Sakitronics Wünsche bestmöglich umzusetzen und Ihnen so wenig Arbeit wie möglich zu machen.«

Mr. Kunieda richtet seinen Blick wieder auf Inouye, jetzt mit einem leicht irritierten Ausdruck auf dem Gesicht. »Ja...so sollte es sein.«

Die Kunst beim Verhandeln liegt darin, den Kunden von sich zu überzeugen, ohne dabei eine unterwürfige Haltung einzunehmen. In diesem Fall wäre Rem für sich genommen zu unhöflich und die Kooperationsbereitschaft des Kunden würde zu stark sinken. Dagegen ist Inouye viel zu entgegenkommend, sodass der Kunde versuchen würde ihn auszunutzen. Da sie aber zusammenarbeiten, wechseln sie zwischen zu stark und zu schwach, was es Mr. Kunieda schwer macht, auf die eine oder andere Weise zu reagieren.

Am Ende des Meetings unterschreibt er den Vertrag, den sie ihm vorgelegt haben und Rem hatte beinah Spaß dabei. Es ist das erste Mal, dass sie sich keine Sorgen darum machen muss, was sie dem Kunden ins Gesicht sagt.

»Wir sind ein gutes Team, hm?«, sagt Inouye, als sie in seinem Auto sitzen und zurück ins Büro fahren, so als hätte er erraten, was ihr durch den Kopf geht.

»Stimmt«, sagt Rem und Inouye wirft ihr einen überraschten Blick zu. »Oh, du gibst es zu?«

Rem zuckt mit den Schultern. Sie hätte es auch auf ihre Strategie schieben können, aber die Wahrheit ist, dass sie keine richtige Strategie hatten. Da es das erste Treffen war und sie nicht einmal genau wussten, wer die Person ist, mit der sie zu tun haben würden, war das auch nicht möglich. Hinzu kommt, dass es das erste Mal ist, dass Inouye und Rem zusammenarbeiten. Und dafür ist das Meeting fast schon zu gut verlaufen. »Ich bereue das wahrscheinlich gleich, aber du bist wirklich gut.«

Inouye lacht. »Soll das ein Kompliment sein?«

Rem betrachtet ihn von der Seite, während sie versucht, sich daran zu erinnern, ob sie ihn je so bei der Arbeit erlebt hat. »Ja«, sagt sie dann. »Ich bin beeindruckt. Du könntest einen Stein verführen.«

Inouye nimmt den Blick von der Straße, um sie erstaunt anzusehen. Seine Augen schmälern sich misstrauisch und es ist offensichtlich, dass er daran zweifelt, dass ihr Kompliment ernst gemeint ist.

Rem lacht leise und Inouye seufzt, bevor er den Blick wieder nach vorn richtet. »Und wie siehts mit einem Eisblock aus?«

Sie runzelt die Stirn. »Was meinst du?«

Aber er schüttelt den Kopf.


 

Eine halbe Stunde später sind sie wieder im Büro und Rem lässt sich mit einem Seufzen auf ihren Schreibtischstuhl fallen. Ihr ist nicht wirklich danach, schon wieder zu sitzen. Sie saß während des Meetings, dann im Auto und jetzt schon wieder. Die Tragik derer, die an einem Schreibtisch arbeiten. Sie sollte am Wochenende wieder in die Boxhalle gehen.

Aber dann verzieht sie das Gesicht, als sie ans Wochenende denkt. Sie will nicht schon wieder das ganze Wochenende zu Hause verbringen, im Wissen, dass Kosuke sich nebenan befindet.

Kurzentschlossen wendet sie sich an Mori. »Hast du am Wochenende schon etwas vor?«

Mori sieht sie überrascht an. Dann rollt sie nachdenklich mit den Augen. »Am Samstag, ja. Aber am Sonntag hätte ich Zeit.«

Rem nickt. »Wenn Yamato auch Zeit hat, hast du Lust in ein Café zu gehen.«

»Das hätte ich auch, wenn Ami keine Zeit hat.« Mori grinst. »Und wo du es erwähnst, ich bin immer noch ‚Mori‘ für dich, oder?«

Rem blinzelt ertappt und Mori kichert. »Also, gibt es etwas Spezielles, worüber du reden willst, oder hast du nur Lust auf Gesellschaft?«

»Ich dachte nur -«, setzt Rem an, nur um unterbrochen zu werden, als jemand an ihren Schreibtisch tritt.

»Hätten Sie einen Moment Zeit für mich, Ms. Aozora?«

Rem sieht überrascht zu Sasaki auf. Dann runzelt sie im Angesicht des unterkühlten Blicks in Sasakis Augen die Stirn, nickt aber. »Natürlich. Was gibt es?«

»Nicht hier. Bitte folgen Sie mir.« Ohne auf Rems Erwiderung zu warten, dreht sie sich um und geht auf die Videoräume zu.

Rem wirft Mori einen Blick zu, die Sasaki eben so erstaunt hinterher sieht. Dann steht Rem auf und folgt Sasaki zu den Videoräumen. Dort angekommen wartet Sasaki, mit den Armen hinter dem Rücken verschränkt und einem falschen Lächeln auf den Lippen, bis Rem die Tür geschlossen hat. »Ich werde gleich zum Punkt kommen, Ms. Aozora«, flötet sie mit ihrer hohen Stimme, die Rem an das Quietschen einer Tür erinnert. »Ich weiß von Ihnen und Kohei!«

Rem legt die Stirn in Falten, allerdings ist sie nicht sehr überrascht. Sasaki lächelt zwar, aber der Blick in ihren Augen ist alles andere als freundlich. Noch dazu überschneidet sich ihre Arbeit nicht, sodass es unwahrscheinlich ist, dass sie etwas Geschäftliches mit ihr besprechen will.

»Und ich dachte, ich lasse Sie lieber früher als später wissen, dass Kohei mir gehört.« Sie beugt sich etwas vor, während ihr Lächeln breiter wird. »Also lassen Sie Ihre Finger von ihm, okay?«

Rem starrt sie an. Im Gegensatz zu Inouye, der aus irgendeinem Grund völlig naiv in Bezug auf Sasaki ist, hat sie erwartet, dass Sasaki es nicht gut aufnehmen würde, sollte sie von Inouyes und Rems Affäre erfahren. Aber sie ist doch überrascht, dass sie so direkt ist. Und es gefällt ihr nicht, dass Sasaki es klingen lässt, als wäre Inouye ihr Eigentum. »Haben Sie mich hergerufen, um über Mr. Inouye zu sprechen?«

Sasaki blinzelt, als wäre sie überrascht von Rems Erwiderung. Aber ihr Lächeln bleibt. »Wenn Sie abstreiten wollen, dass Sie sich in sein Bett gemogelt haben, sparen Sie es sich. Ich habe euch gesehen.«

Rem knirscht mit den Zähnen. Als ob es nicht schon genug Leute gibt, die auf die eine oder andere Weise Zeuge von ihrem Verhältnis wurden. Sasaki muss sie im Büro gesehen haben und es ärgert Rem, dass sie unvorsichtig geworden ist, weil sie dachte, dass Inouye und sie die einzigen sind, die so spät und am Freitagabend noch im Büro sein würden. »Meine private Beziehung zu Mr. Inouye geht Sie nichts an. Und wenn Sie mir nichts von Bedeutung zu sagen haben, werde ich jetzt gehen.«

Sasakis Lächeln versteift sich etwas und sie drückt den Rücken durch. »Sie würden gut daran tun, auf mich zu hören. Um Ihretwillen.«

»Und Sie täten gut daran, meine Zeit nicht mit Unsinn zu verschwenden. Bitte sprechen Sie während der Arbeit nur mit mir, wenn es die Arbeit betrifft.« Sie dreht sich zur Tür, um zu gehen.

»Sie denken doch nicht wirklich, dass Sie für Kohei mehr sind, als ein Zeitvertreib. Nur weil Sie ihn bei der Arbeit stören, aber er würde niemals einen Niemand aus einer unbedeutenden Familie heiraten! Sie sind nicht einmal hübsch!«

Rem bleibt mit der Hand an der Klinke stehen. »Sie klingen verzweifelt, Ms. Sasaki.«

»Wie bitte?!«, keift Sasaki nun mit schriller Stimme.

»Wären Sie es nicht.« Rem sieht über ihre Schulter. »Wäre dieses Gespräch wohl kaum nötig.«

Sasaki schnappt nach Luft, aber Rem verlässt den Videoraum. Im Gehen zieht sie ihr Handy aus der Tasche und schreibt Inouye eine Nachricht. Es ist die beste Entscheidung, Sasaki ihm zu überlassen und es damit gut sein zu lassen. Auch wenn sie nicht anders kann, als ihm einen finsteren Blick zuzuwerfen, als sie zurück ins Büro kommt. Aber sie weiß, dass er sich darum kümmern wird und tatsächlich spricht Sasaki sie kein weiteres Mal darauf an.


 

Den folgenden Samstag verbringt Rem damit, sich weiter nach einer neuen Wohnung umzusehen, nachdem sie sich um den Haushalt gekümmert hat. Sie hat keine allzu großen Anforderungen, da sie bereits an eine kleine Wohnung gewöhnt ist und es geht ihr vor allem darum, eine Wohnung nahe dem Büro zu finden. Es ist mühsam, besonders da sie nicht ganz bei der Sache ist und schließlich klappt sie ihren Laptop zu.

Sie packt ihre Tasche und macht sich auf den Weg in die Boxhalle, während ihre Gedanken erneut zu ihrem Gespräch mit Sasaki huschen. Es war kindisch und nichts, dass es wert wäre, sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Aber obwohl Rem das weiß, beschäftigt es sie. Es ist nie ein schönes Erlebnis, beleidigt zu werden. Bei ihrem kompromisslosen Charakter gerät sie häufiger mit anderen aneinander, aber es ist etwas anderes, wenn das im Zuge ihrer Arbeit passiert. Ihr Gespräch mit Sasaki war von persönlicher Natur, noch dazu hatte sie etwas angesprochen, das Rem schon einmal durch den Kopf gegangen ist. Inouye wetteifert mit ihr, seit er bei Noué angefangen hat, und es ist gut möglich, dass er aus demselben Grund mit ihr geschlafen hat. Und es stimmt auch, dass Rem nicht sehr attraktiv ist, besonders verglichen mit Inouye.

Sie dachte immer, dass er sich entsprechend Mühe gibt, gut auszusehen. Etwas, worauf sie im Büro keinen allzu großen Wert legt. Aber obwohl es stimmt, dass er morgens einige Zeit vor dem Spiegel verbringt, um seine Haare in Ordnung zu bringen, ist es nicht so, dass er das nötig hätte. Er würde wahrscheinlich noch gut aussehen, nachdem er in eine Steckdose gefasst hat.

Rem seufzt und schüttelt den Kopf. Das ist Teil des Problems, denn sie ist sich sicher, dass er früher nicht so gut ausgesehen hat. Jedenfalls ist es ihr nicht aufgefallen. Erst seit dem Tag, an dem sie Syrene übernommen hat. Vielleicht ist sie wirklich oberflächlicher als sie dachte.

Rem nimmt ihren Blick von ihrem Boxsack und sieht zu dem Ring in der Mitte. Davor steht Ryonosuke, einer der Männer, der regelmäßig in die Halle kommt. Er ist schon eine Weile hier und macht gerade eine Trinkpause. Außerdem hat er sein Shirt ausgezogen und Rem mustert seinen Oberkörper. Er ist etwas stämmiger gebaut als Inouye und seine schwieligen Hände verraten, dass er einen Handwerksberuf ausübt. Daher ist er wahrscheinlich besser in Form als Inouye. Und er ist nett. Er grüßt sie immer, wenn sie sich sehen, und bietet seine Hilfe an, falls sie sie braucht. Er boxt schon einige Zeit länger als Rem und er ist ein guter Lehrer. Noch dazu ist er keiner der Männer, die auf sie herunterschauen, weil sie eine Frau ist, oder sich zum Affen machen, um vor ihr die Muskeln spielen zu lassen.

»Rem, alles klar?«

Rem blinzelt, als Ryonosuke plötzlich in ihre Richtung sieht.

Er lächelt und kommt zu ihr. »Brauchst du Hilfe bei was? Oder hast du Lust auf ne Runde im Ring?«

Sie zögert, etwas beschämt, als ihr klar wird, dass er herübergekommen ist, weil sie ihn angestarrt hat. »Nein, tut mir leid. Ich hab nur über etwas nachgedacht.«

»Etwas, wobei du meine Hilfe brauchst?« Er legt den Kopf schief und Rem versteht, dass er verwirrt sein muss. Sie schüttelt den Kopf. »Es ist etwas Persönliches.«

Ryonosuke runzelt die Stirn.

»Ah!«, macht Rem, als ihr aufgeht, dass er das missverstehen könnte. »Tut mir leid, dass ich dich angestarrt habe, ich wollte nur etwas überprüfen.« Sie legt die Stirn in Falten, da ihre Worte ein mögliches Missverständnis nicht ausräumen. Etwas unbehaglich weicht sie seinem Blick aus. »Ich habe vor kurzem eine Beziehung beendet und ich bin mir nicht sicher, ob mein Interesse an ihm nicht nur....oberflächlich war.« Bei den letzten Worten huschen Rems Augen zu seinem Oberkörper.

Ryonosuke tut es ihr nach und sieht an sich hinunter. »Verstehe«, sagt er, als wäre das ein völlig normales Problem. »Willst du es ausprobieren?«

Rem sieht ihn verdutzt an. »Was?«

»Ob du nur auf Muskeln stehst.«

Einen Moment starrt sie ihn nur an und versucht herauszufinden, was genau er damit meint.

Ryonosuke zuckt mit den Schultern und deutet mit dem Daumen auf sich. »Ich hab im Moment keine Freundin, also wenn du willst -«

Rem hebt die Hände, um ihn zu unterbrechen. »Das ist nicht nötig«, sagt sie und denkt, dass Ryonosuke vielleicht ein bisschen zu nett ist.

Er grinst. »Okay. Das beantwortet doch deine Frage.«

Rem blinzelt. Ihr Blick huscht erneut an ihm hinunter, bevor sie ihm wieder ins Gesicht sieht. »Nein, ich bin nur niemand, der aus so einem Grund...ich meine, ich nehme diese Dinge nicht so leicht.«

»Du bist so ein nettes Mädchen, Rem.« Er tätschelt ihr wohlwollend den Kopf, was Rem etwas aus dem Konzept bringt. »Mach dir keinen Kopf deswegen, das wird schon. Und wenn du Hilfe brauchst, weißt du, wo du mich findest.« Damit kehrt er wieder zum Ring zurück.

Rem berührt ihren Kopf, von dem nun einige Haare abstehen. Ryonosuke ist ein sehr unkomplizierter Mensch und sie hat ein bisschen gebraucht, um sich an seine offene und direkte Art zu gewöhnen. Eine Art, die sie schätzt, die aber auch nicht immer willkommen ist. Denn es ist nicht so, dass Rem nicht weiß, dass sie nicht die Art Frau ist, die einfach so mit einem Mann ins Bett geht.

Sie wendet sich ihrem Boxsack zu.

Es sei denn natürlich dieser Mann ist Kohei Inouye.


 

Am nächsten Morgen klingelt Rems Handy, als sie gerade aus dem Bad kommt, und sie erwartet schon, dass es eine Nachricht von Mori oder Yamato ist, die absagen, aber sie ist von Inouye.

Rems Augen schmälern sich, da ihr nur zwei Gründe einfallen, aus denen er sie am Wochenende kontaktieren würde. Der erste ist, dass er ihr erzählen will, was er mit Sasaki besprochen hat, der zweite, dass er einen neuen Versuch startet, sich wieder mit ihr zu treffen.

Doch zu Rems Überraschung, ist es weder das eine noch das andere. Es ist nicht einmal eine Textnachricht, sondern ein Bild. Ein Bild von Inouye und Sasaki. In seinem Bett. Und offenbar ohne Kleidung.

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